15. Frühjahrstagung Medizinrecht, ein Rückblick – Teil 3
Arzt und Haftpflicht
Ein weiteres, wesentliches Thema in der Arbeitsgruppe Arzthaftungsrecht war auch die Frage, welche Möglichkeiten ein Patient hat, wenn der behandelnde Arzt keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat.
In dem vorgestellten Fall ging es um einen Belegarzt, der seinen Patienten im Belegkrankenhaus behandelte. Er hatte keine eigene Haftpflichtversicherung, obwohl er für die ärztliche Behandlung und für sämtliche von ihm angeordneten und im Belegkrankenhaus durchgeführten Behandlungen seitens der dort tätigen Ärzte und Pflegekräfte verantwortlich ist. Der Belegarzt haftet somit auch für die ihm nachgeordneten und in seinem Auftrag tätigen Mitarbeiter des Krankenhauses. Das Belegkrankenhaus dagegen haftet für eigene Fehler, z.B.
- für die Unterbringung und Verpflegung des Patienten,
- für die ärztliche Behandlung durch Krankenhausärzte, sofern diese nicht Erfüllungsgehilfen des Belegarztes sind (wie Konsile und Mitbehandlungen auf anderem Gebiet, Anästhesie durch Krankenhausärzte),
- für die Ausstattung des Krankenhauses und
- für die Pflege sowie Organisation des Belegkrankenhauses.
So wurde in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes vom 28.3.2008 – 4 U 34/07 – die Haftung des Krankenhausträgers eines Belegkrankenhauses für gegeben erachtet, weil die im Krankenhaus tätigen Pflegekräfte dem Belegarzt keine Mitteilung von auffälligen postoperativen Veränderungen des Patienten gemacht hatten. Hier wurde ein grober Pflegefehler zu Gunsten des Patienten erkannt.
In dem eingangs erwähnten Fall lag tatsächlich ein Behandlungsfehler des Belegarztes vor. Die fehlende Haftpflichtversicherung hat schwerwiegende Folgen für den geschädigten Patienten. Selbst wenn er durch alle Instanzen hindurch recht bekommt, ihm gerichtlich bescheinigt wird, dass der Belegarzt ihn fehlerhaft behandelt hat und ihm hierdurch ein Gesundheitsschaden entstanden ist, steht ihm mangels Haftpflichtversicherung des Belegarztes nur dessen Privatvermögen zur Verfügung.
Je nach Schwere des eingetretenen Gesundheitsschadens kann ein Schmerzensgeld schon einmal bis zu sechsstellige Summen erreichen, hinzu kommen noch der Verdienstausfall, der Haushaltsführungsschaden, Pflegekosten etc. Ob der verurteilte Belegarzt diese Kosten überhaupt tragen kann, steht zu bezweifeln. Das so sehnsüchtig erwartete positive Urteil entpuppt sich dann häufig als Papiertiger, das dem Patienten in der Realität wenig nutzt, obwohl er 30 Jahre aus diesem Urteil vollstrecken kann.
Auch hier muss der Arzthaftungsrechtler sich mit den Einzelheiten des jeweiligen Falles und auch mit der Aufgabenverteilung zwischen Belegarzt und Belegkrankenhaus und der jeweiligen Organisation eines solchen Belegkrankenhauses intensiv auseinandersetzen. Er muss zudem die vertraglichen Vereinbarungen zwischen beiden detailliert prüfen. Die Auflösung eines solchen Falles zu Gunsten des Patienten ist äußerst schwierig und bedarf grundlegender Erfahrungen in diesem Bereich.
Praxis-Tipp
Um erst gar nicht in eine solche Situation zu kommen, sollte jeder Patient vor einer größeren Behandlung, die, falls sie fehlerhaft durchgeführt wird, lebensbedrohlich sein kann, den behandelnden Arzt nach seiner bestehenden gültigen Haftpflichtversicherung fragen. Die Problematik der fehlenden Haftpflichtversicherung tritt vor allem bei Belegärzten und niedergelassenen Ärzten auf. Hier sollte sich der kundige Patient – soweit dies möglich ist – durch Nachfragen oder sogar schriftliche Zusicherungen oder Belege absichern.
Ehrlicherweise muss man einräumen, dass es eine 100 %ige Sicherheit nicht gibt. Trotzdem ist es wichtig, dass Patienten auch in dieser Hinsicht immer aufmerksamer werden und Ärzte dies bemerken.
Ausblick auf Teil 4 des Berichts über die Frühjahrstagung Medizinrecht 2015: Hausärztliche Versorgung im ländlichen Bereich / Patientenrechtegesetz