Erschöpfung der Deckungssumme?
Für Schwerstgeschädigte, die eine monatliche Unfallrente von der Haftpflichtversicherung erhalten, um ihren täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist es wahrscheinlich eine erschütternde Nachricht, wenn der Haftpflichtversicherer plötzlich mitteilt, dass die Unfallrente nicht mehr gezahlt werden kann, weil die Deckungssumme nicht mehr ausreicht.
Gemäß den Versicherungsbedingungen sind Haftpflichtversicherer dazu verpflichtet, im Schadensfall bestimmte Leistungen zu erbringen. Die Summe, für die ein Versicherer einzustehen hat, ist auf eine bestimmte Summe begrenzt, die sogenannte Deckungssumme. Reicht die Deckungssumme nicht aus, um alle Ansprüche aus dem Schadensfall zu befriedigen, ist der Schädiger selbst in der Pflicht, den Schadenersatz weiter zu leisten. Doch was nutzt dieser Anspruch, wenn beim Schädiger nichts mehr zu holen ist.
Überschreiten der Deckungssumme: Prüfung ist ein Muss
Wenn der Versicherer mitteilt, die Deckungssumme sei erreicht, ist eine genaue Prüfung Pflicht. Es kommt nämlich nicht nur auf den im Versicherungsschein genannten Betrag an. Dieser Betrag ist vielmehr unter Berücksichtigung eines bestimmten Zinssatzes abzuzinsen. Dabei kann der Zinssatz
- gesetzlich geregelt sein,
- sich aus dem Versicherungsvertrag ergeben oder
- er wird anhand der konkreten Marktlage in angemessener Höhe ermittelt.
Kürzung- und Verteilungsverfahren, Befriedungsvorrecht
Zudem sind komplizierte Regelungen im sogenannten Kürzung- und Verteilungsverfahren zu berücksichtigen, die bei der Mitteilung des Versicherers über das Erreichen der Deckungssumme oft nicht beachtet bzw. nicht richtig angewendet werden. Auch kann dem Geschädigten ein Befriedigungsvorrecht gegenüber Sozialversicherungsträgern oder anderen Leistungsträgern zustehen.
Fazit: Liegt die Mitteilung des Versicherers über das Erreichen der Deckungssumme im Briefkasten, sollte man unbedingt einen spezialisierten Anwalt mit der Überprüfung zu beauftragen. Oft stellt sich dann heraus, dass Versicherer zum Teil deutlich mehr zahlen müssen als das, was als Versicherungssumme vereinbart wurde.
Mathias Holl, LL.M. (Versicherungsrecht) – Fachanwalt für Verkehrsrecht