Die zentrale Rolle des Gedächtnisprotokolls bei Schmerzengeldforderungen
Verletzungen durch Unfälle oder ärztliche Behandlungsfehler können schwerwiegende körperliche und seelische Folgen haben. Den Betroffenen stehen in der Regel Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zu. Das Schmerzensgeld nimmt dabei sowohl für die Geschädigten als auch im außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren eine wichtige Stellung ein. Die erfolgreiche Durchsetzung dieser Ansprüche setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei ein genau geführtes Gedächtnisprotokoll, das die Wahrscheinlichkeit einer angemessenen Entschädigung deutlich erhöht.
Das Gedächtnisprotokoll: Ihr persönliches Beweismittel
Ein Gedächtnisprotokoll ist ein detailliertes Dokument, das den Zustand vor und die Veränderungen nach dem Schadenereignis festhält. Es sollte folgende Punkte enthalten:
- Vorgeschichte und Zustand vor dem Ereignis: Dokumentieren Sie Ihren ursprünglichen Gesundheitszustand, Ihre Lebensumstände und Ihre täglichen Aktivitäten.
- Das Ereignis selbst: Beschreiben Sie genau, was passiert ist, einschließlich Datum, Uhrzeit und beteiligte Personen.
- Medizinische Folgen: Führen Sie alle Verletzungen, Behandlungen und deren Dauer auf. Chronologische Arztberichte und Diagnosen sind hier unerlässlich.
- Persönliche und berufliche Auswirkungen: Halten Sie fest, wie sich Ihre Lebensqualität, Ihre berufliche Situation und Ihr soziales Leben verändert haben.
- Zukunftsprognose: Notieren Sie, mit welchen Langzeitfolgen die Ärzte rechnen und welche weiteren Behandlungen notwendig sind.
- Das Gedächtnisprotokoll sollte kontinuierlich geführt und durch objektive Nachweise wie ärztliche Gutachten, Fotos von Verletzungen und amtliche Bescheide ergänzt werden.
Wichtige Kriterien für die Bemessung des Schmerzensgeldes
Neben der Dokumentation im Gedächtnisprotokoll werden u.a. folgende Aspekte zur Bemessung des Schmerzensgeldes herangezogen:
- Dauer und Stärke der Schmerzen
- Psychische Beeinträchtigung
- Auswirkungen auf die Lebensführung
- Grad des Verschuldens des Schädigers
Diese und weitere Kriterien, die auf die individuelle Lebenssituation des Geschädigten zugeschnitten sind, müssen sowohl in außergerichtlichen als auch in gerichtlichen Auseinandersetzungen konkretisiert und dargelegt werden. Häufig scheitert die geforderte Höhe des Schmerzensgeldes nicht an der Angemessenheit an sich, sondern an der fehlenden oder unzureichenden Begründung.
Bedeutung der Menschenwürde im Zusammenhang mit Schmerzensgeld
Schwerstgeschädigten, bei denen die Schädigung mit einer schweren Persönlichkeitsbeeinträchtigung einherging, wurde bis Oktober 1992 häufig nur ein symbolisches Schmerzensgeld zugesprochen. Man ging davon aus, dass diese Personen aufgrund ihrer Beeinträchtigung den Ausgleich durch Schmerzensgeld nicht empfinden können. Eine richtungsweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat dies geändert: Es wurde klargestellt, dass die Unfähigkeit des Geschädigten, sein Leid zu empfinden, nicht zu einer Minderung des Schmerzensgeldes führen darf. Damit werden die Unantastbarkeit der Menschenwürde und grundrechtlich geschützte Werte wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit betont.
Die Komplexität der Schmerzensgeldbemessung
In der Rechtsprechung zum Schmerzensgeld gibt es eine große Bandbreite, und häufig wird argumentiert, dass die geforderten Beträge überhöht seien. Vergleichsurteile basieren häufig auf selektiven Schadensbildern. Eine gute Begründung ist entscheidend, um die Höhe des Schmerzensgeldes vor Gericht oder gegenüber Versicherern plausibel zu machen. Außerdem ist es wichtig, das Wort „mindestens“ im Antrag auf Schmerzensgeld zu verwenden, damit das Gericht die Möglichkeit hat, einen höheren Betrag zuzusprechen.
Fazit
Ein sorgfältig geführtes Gedächtnisprotokoll ist ein mächtiges Werkzeug in den Händen Ihres Anwalts und kann entscheidend dazu beitragen, Ihren Anspruch auf Schmerzensgeld durchzusetzen. Nehmen Sie sich die nötige Zeit, um alle relevanten Informationen sorgfältig zu dokumentieren. Dies bildet eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Klage und stellt sicher, dass Ihre Ansprüche in vollem Umfang durchgesetzt werden.
Sven Wilhelmy, Rechtsanwalt und Partner, Fachanwalt für Medizinrecht