Verjährung von Behandlungsfehlern
Die Verjährung von ärztlichen Behandlungsfehlern ist in § 195 BGB geregelt. Danach beträgt die sogenannte regelmäßige Verjährungsfrist für Behandlungsfehler drei Jahre. Wann diese Verjährungsfrist beginnt, ist in § 199 Abs. 1 BGB geregelt. Im Arzthaftungsrecht ist jedoch eine Besonderheit zu beachten: Die Verjährung beginnt erst, wenn der Patient weiß oder hätte wissen können, dass ein Behandlungsfehler vorliegt.
Der Patient muss wissen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt
Wurde beispielsweise das falsche Knie operiert, weiß der Patient dies bereits am Morgen nach der Operation. Ein Geburtsschaden wird dagegen oft erst nach einigen Monaten oder Jahren offensichtlich, etwa wenn sich ein Kind nicht normal entwickelt. Die Eltern kommen oft erst dann auf die Idee, dass der Schaden nicht schicksalhaft, sondern auf einen möglichen Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Erst dann stellen sie Nachforschungen an.
Das OLG Jena hat in seinem Urteil vom 05.06.2012 – 4 U 159/11 – die Voraussetzungen für die Kenntnis vom Behandlungsfehler als Haftungsgrund in Arzthaftungsfällen wie folgt zusammengefasst:
„Die Kenntnis vom Misserfolg oder einer Behandlungskomplikation reicht allein noch nicht für die Kenntnis eines haftungsrelevanten Behandlungsfehlers aus. Dem Patienten müssen vielmehr diejenigen Behandlungstatsachen positiv bekannt geworden sein, die – im Blick auf den Behandlungsfehler – ein ärztliches Fehlverhalten und – im Blick auf die Schadenskausalität – eine ursächliche Verknüpfung der Schadensfolge mit dem Behandlungsfehler bei objektiver Betrachtung nahelegen; medizinische Detailkenntnisse sind nicht erforderlich. Das setzt ein Grundwissen über den konkreten Behandlungsverlauf voraus, zu dem neben der Kenntnis der gewählten Therapiemethode auch gehört, dass der Patient die wesentlichen Umstände des konkreten Behandlungsverlaufs positiv kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, d.h. auch Kenntnis von Tatbestand und Art des Eintretens von Komplikationen und die zu ihrer Beherrschung getroffenen ärztlichen Maßnahmen. Darüber hinaus erforderlich ist die Kenntnis eines vom medizinischen Standard abweichenden ärztlichen Verhaltens, weil erst diese Verletzung der Berufspflicht des Arztes dessen Haftung begründet.“
Als medizinischer Laie ist es für Patienten oft schwierig, Behandlungsfehler zu erkennen. Ein Rechtsanwalt hilft, die Beweislage zu prüfen und die Rechte des Patienten gegenüber dem Krankenhaus oder der Versicherung zu wahren.
Ohne spezialisierten Anwalt geht es nicht
Deshalb sollte man sich schon beim geringsten Verdacht auf einen Behandlungsfehler sofort an einen spezialisierten Anwalt wenden. Dieser weiß, was zu tun ist: Er fordert die Behandlungsunterlagen an, setzt sich mit der gegnerischen Versicherung in Verbindung und bittet sie gegebenenfalls, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Das machen die Versicherungen in der Regel auch, aber nicht von sich aus: Man muss sie dazu auffordern.
Um festzustellen, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorliegt, wird in der Regel ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Dabei ist zu beachten, dass während der Erstellung des Gutachtens, die durchaus einige Monate in Anspruch nehmen kann, die Verjährungsfrist weiterlaufen kann. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kennt die Möglichkeiten, die Verjährung zu hemmen bzw. die Ansprüche nicht verjähren zu lassen.
Bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler (im Juristendeutsch „grob fahrlässige Unkenntnis“) beginnt die Verjährung am Ende des Jahres, in dem der Patient den Fehler erkannt hat. Erlangt er beispielsweise im Jahr 2012 Kenntnis von einem Behandlungsfehler aus dem Jahr 2008, beginnt die Verjährung am 31.12.2012 um 00:00 Uhr. Die Verjährung tritt nach drei Jahren am 31.12.2015 um 00:00 Uhr ein.
Betroffene Patienten sollten also auf keinen Fall den Stichtag 31.12. verpassen. Auf jeden Fall sollten sie bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler nicht zu lange warten, bevor sie aktiv werden. Und wenn sie aktiv werden, ist ein Fachanwalt für Medizinrecht immer der richtige Ansprechpartner.
Rechtsanwältin und Partnerin Melanie Mathis, Fachanwältin für Verkehrsrecht