Schädel-Hirn-Trauma (SHT) als Unfallfolge: Wie viel Schmerzensgeld ist angemessen?
Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) gehört zu den schwersten Verletzungen, die bei einem Unfall auftreten können. Das Schmerzensgeld reicht je nach Fall von 50.000 bis zu beeindruckenden 900.000 Euro. Doch wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes bestimmt und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? In diesem Blogbeitrag gehen wir detailliert auf die verschiedenen Aspekte ein, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes für ein Schädel-Hirn-Trauma zu berücksichtigen sind.
Was ist ein Schädel-Hirn-Trauma?
Ein Schädel-Hirn-Trauma ist eine Verletzung des Gehirns durch äußere Gewalteinwirkung auf den Schädel. Der Schweregrad der Verletzung kann sehr unterschiedlich sein: von einer leichten Gehirnerschütterung bis hin zu schweren, dauerhaften Hirnschäden. Die Folgen eines solchen Traumas sind komplex und können den gesamten Alltag der Betroffenen beeinflussen, von körperlichen Beeinträchtigungen über psychische Belastungen bis hin zu finanziellen Schwierigkeiten.
Für viele Betroffene und ihre Familien ist ein Schädel-Hirn-Trauma existenzbedrohend, insbesondere wenn die Erwerbsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt ist.
Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Schädel-Hirn-Trauma
Wurde ein Schädel-Hirn-Trauma durch einen unverschuldeten Unfall verursacht, haben die Geschädigten Anspruch auf Schadensersatz. Dazu gehören nicht nur materielle Schäden wie Pflegekosten oder Verdienstausfall, sondern auch immaterielle Schäden: das Schmerzensgeld.
Doch was genau ist Schmerzensgeld? Schmerzensgeld dient dazu, die erlittenen Schmerzen und Leiden finanziell auszugleichen und dem Geschädigten eine Form der Genugtuung zu verschaffen.
Faktoren, die die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen
Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist sehr individuell und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab:
- Art und Ausmaß der Verletzung: Je schwerwiegender die Verletzung, desto höher das mögliche Schmerzensgeld.
- Schmerzen: Sowohl die Intensität als auch die Dauer der Schmerzen spielen eine Rolle.
- Verlauf und Intensität der Heilbehandlung: Eine langwierige oder besonders schmerzhafte Behandlung kann zu einem höheren Schmerzensgeld führen.
- Alter des Verletzten: Jüngere Menschen können bei schweren Verletzungen ein höheres Schmerzensgeld erhalten, da sie länger mit den Folgen leben müssen.
- Mögliche Komplikationen und Dauerschäden: Anhaltende oder sich verschlimmernde Zustände erhöhen das Schmerzensgeld.
- Psychische Beeinträchtigungen: Auch langfristige psychische Folgen wie Depressionen oder Angststörungen werden berücksichtigt.
Anhaltspunkte für die Bemessung des Schmerzensgeldes (aber wirklich nicht mehr) bieten die in Schmerzensgeldtabellen veröffentlichten Vergleichsentscheidungen. Entscheidend ist jedoch, wirklich vergleichbare Verletzungsbilder zu finden, was in vielen Fällen nicht möglich ist. Hier spielt die Erfahrung des Anwalts eine entscheidende Rolle, vor allem dann, wenn sich keine Vergleichsurteile finden lassen, die das ganz spezielle Schicksal des Geschädigten widerspiegeln. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes immer der konkrete Einzelfall!
Beispiele aus der Rechtsprechung
Die Höhe des Schmerzensgeldes kann im Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen, wie die folgende Rechtsprechung zeigt:
- Landgericht München I: Einem 48-jährigen Mann, der bei einem unverschuldeten Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma Grad III erlitt, wurden 750.000 DM (nach heutigem Wert ca. 860.000 Euro) zugesprochen. Die Verletzungen führten zu einem schweren Hirnschaden, einer erheblichen Persönlichkeitsänderung und einer zentralen Sprachstörung.
- Oberlandesgericht Naumburg: Einem 24-jährigen Mann mit Locked-in-Syndrom, bei dem er zwar bei Bewusstsein ist, aber weder sprechen noch sich bewegen kann, wurde nach einem Fahrradunfall bei einer Mithaftung von 20 % ein Schmerzensgeld von 600.000 DM (nach heutigem Wert ca. 720.000 Euro) zugesprochen.
- Landgericht Münster: Einem 9-jährigen Mädchen, das aufgrund eines Schädel-Hirn-Traumas völlig bewegungsunfähig und wahrscheinlich bewusstlos blieb, wurde ein Schmerzensgeld von 500.000 Euro zugesprochen, was heute etwa 620.000 Euro entspricht.
Auch weniger schwere Fälle, die dennoch zu dauerhaften Einschränkungen führen, wie chronische Kopfschmerzen oder kognitive Beeinträchtigungen, können Schmerzensgelder von bis zu 200.000 Euro rechtfertigen.
Warum ein Schmerztagebuch wichtig ist
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes gibt es große Unterschiede. Deshalb ist es wichtig, den individuellen Fall so detailliert wie möglich darzustellen. Wir bitten daher unsere Mandantinnen und Mandanten bzw. deren Angehörige, ein detailliertes Gedächtnisprotokoll über die erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen zu führen – zum Beispiel in Form eines Schmerztagebuchs.
Ein Schmerztagebuch kann helfen, die erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen detailliert zu dokumentieren. Dazu gehören
- regelmäßige Eintragungen über das Befinden und die Schmerzen
- Dokumentation aller Arztbesuche und ärztlichen Behandlungen
- Sammeln von Arztberichten, Gutachten und gegebenenfalls Fotos der Verletzungen.
Eine solche sorgfältige Dokumentation erleichtert es dem Anwalt, ein angemessenes Schmerzensgeld einzufordern und die erlittenen Schmerzen und Leiden nachzuweisen.
Fazit
Die Bemessung des Schmerzensgeldes bei einem Schädel-Hirn-Trauma ist komplex und stark vom Einzelfall abhängig. Jeder Geschädigte sollte sich der Möglichkeit eines Schmerzensgeldanspruches bewusst sein und die notwendigen Schritte einleiten, um seine Ansprüche geltend zu machen. Ein erfahrener Anwalt und eine sorgfältige Dokumentation der erlittenen Schäden sind unerlässlich, um eine gerechte Entschädigung zu erhalten.
Mathias Holl, LL.M. (Versicherungsrecht) – Fachanwalt für Verkehrsrecht