Hinter den Kulissen des Medizinrechts: Ein Blick in den Verhandlungsalltag
Der Alltag eines Fachanwalts für Medizinrecht ist geprägt von der juristischen Herausforderung, die Interessen unserer Mandantinnen und Mandanten zu vertreten und zu wahren. Bei den Fällen, die wir bearbeiten, geht es fast ausschließlich um schwere Personenschäden wie Geburtsschäden, Schlaganfälle oder Querschnittslähmungen.
Heute möchten wir Sie mitnehmen und Ihnen einen Einblick in einen typischen Verhandlungstag geben. Dieser Tag zeigt, wie vielfältig und verantwortungsvoll unser Beruf ist. Und vielleicht nehmen wir unseren Mandanten und Mandantinnen und denen, die es möglicherweise werden möchten, ein wenig die Angst.
Von der Klageerhebung bis zum Termin – die Vorbereitung
Der Prozess beginnt – anders als man vermuten könnte – nicht erst am Verhandlungstag selbst. Er beginnt bereits mit der Einreichung der Klageschrift. Darin tragen wir dem Gericht zusammenfassend vor, was wir bereits außergerichtlich erarbeitet haben. Wir formulieren auch schon Anträge, die wir dann in der mündlichen Verhandlung förmlich stellen. Damit hat das Gericht nicht nur eine Vorstellung vom Inhalt, sondern auch von den Zielen des Patienten und seines Anwalts. Das geht dann an die Gegenseite, und die Gegenseite hat dann die Möglichkeit, ihrerseits umfassend dazu Stellung zu nehmen.
Im Arzthaftungsrecht besteht die Besonderheit, dass in der Regel vor der mündlichen Verhandlung ein schriftliches Gutachten eingeholt wird. Bevor sich also alle Parteien vor Gericht treffen, hat bereits ein reger inhaltlicher Austausch stattgefunden, der vom Gericht gefiltert und inhaltlich erfasst wird. In der mündlichen Verhandlung muss also nicht alles wiederholt werden.
Morgens: Vorbereitung auf den Tag
Unser Tag beginnt früh. Noch vor dem ersten Kaffee widmen wir uns wieder unseren Unterlagen und dem Studium der relevanten Akten. Heute haben wir einen Gerichtstermin im Arzthaftungsrecht, bei dem es um einen Geburtsschadensfall geht. Wir gehen noch einmal die medizinischen Gutachten, Zeugenaussagen und Argumente durch, die wir dem Gericht bereits im vorangegangenen schriftlichen Verfahren vorgelegt haben.
Im Gerichtsgebäude angekommen
Nach dieser sorgfältigen Vorbereitung machen wir uns auf den Weg zum Gericht. Dort treffen wir unsere Mandantin und besprechen noch einmal die letzten Details und unsere Strategie für den Tag. Die Nervosität ist spürbar. Wir beruhigen die Mandantin und bereiten uns langsam auf den Beginn der Verhandlung vor. Auf Wunsch oder bei Bedarf kann im Vorfeld des Gerichtstermins ein weiteres Treffen zur optimalen Vorbereitung unserer Mandantin stattfinden.
Im Gerichtssaal
Der Gerichtssaal ist der Ort, an dem der bisherige Stand des Verfahrens erörtert wird. Wir betreten den Saal und begrüßen den Kollegen bzw. die Kollegin der Gegenseite. Der Richter/die Richterin übernimmt die Verhandlungsleitung und eröffnet die Verhandlung. Insgesamt besteht das Gericht aus 3 Richtern bzw. Richterinnen, wobei der vorsitzende Richter/die vorsitzende Richterin in der Mitte die Verhandlungsleitung übernimmt.
Es findet ein kollegiales Gespräch unter den Anwesenden statt, in dem der Stand des Verfahrens und ggf. noch offene Details besprochen werden können. Wenn es der Stand des Verfahrens zulässt, kann in dieser Phase unter der Leitung des Richters/der Richterin auch ein möglicher Vergleich erörtert werden. Ist dies nicht der Fall, wird in der Regel der Sachverständige zu seinem schriftlichen Gutachten befragt. Dabei können auch Fragen der Parteien zum Gutachten berücksichtigt werden.
Das Ende der mündlichen Verhandlung
Im Anschluss an die Befragung des Sachverständigen kann der Stand des Verfahrens nochmals erörtert werden. Wenn sich neue Aspekte ergeben haben, kann es sinnvoll sein, noch einmal über einen möglichen Vergleich zu sprechen.
Ist dies nicht der Fall, wird das Gericht einen Termin bestimmen, in dem es seine Entscheidung verkündet, den sogenannten Verkündungstermin. Zu diesem Termin müssen die Parteien nicht erscheinen, da die Zustellung auch schriftlich an die Anwälte erfolgt.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung führen wir ein kurzes Gespräch mit unserer Mandantin, um ein erstes Feedback zum Termin zu geben. Auch wenn unsere Mandantin anwesend ist, ist es für sie aufgrund der emotionalen Belastung und der fachlichen Besonderheiten schwierig, alles zu verfolgen. Bei Bedarf beantworten wir Rückfragen, besprechen wir das weitere Vorgehen in einem gesonderten Termin einige Tage später oder erläutern die Details noch einmal schriftlich.
Der Verkündungstermin
Im Verkündungstermin verkündet das Gericht häufig sein Urteil, in dem es der Klage ganz oder teilweise stattgibt oder sie abweist. Das Gericht kann aber auch entscheiden, dass es noch nicht alles aufgeklärt hat und ein (weiteres) Sachverständigengutachten einholen. Es kann auch beschließen, noch Zeugen zu hören oder den Sachverhalt auf andere Weise aufzuklären.
Fazit
Ein Verhandlungstag ist für einen Fachanwalt für Medizinrecht anspruchsvoll, aber auch erfüllend. Die Verantwortung, die wir tragen, um die Interessen unserer Mandantinnen und Mandanten durchzusetzen, ist an einem solchen Tag auch für den Experten eine Herausforderung. Sie erfordert medizinrechtliches Fachwissen, ein tiefes Verständnis medizinischer Zusammenhänge und die Fähigkeit, vor Gericht überzeugend zu argumentieren. Jeder Fall ist einzigartig und jeder Gerichtstermin bringt neue Herausforderungen mit sich, aber gerade das macht den Reiz unseres Berufes aus. Erschöpft, aber in der Regel zufrieden, treten wir dann unseren Heimweg an.
Rechtsanwalt Alexander Rüdiger, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
Lehrbeauftragter der Universität Siegen