Querschnittlähmung durch Unfall oder Behandlungsfehler: Wie viel Schmerzensgeld ist möglich?
Die Schmerzensgeldbeträge bei einer Querschnittlähmung durch Unfall oder Behandlungsfehler bewegen sich in einer Bandbreite von 50.000 bis inzwischen 800.000 Euro. Aktuelle Urteile zeigen, worauf die Gerichte besonders achten.
Eine Querschnittlähmung bedeutet für Betroffene einen tiefen Einschnitt. Von einem Moment auf den anderen ist das Leben komplett auf den Kopf gestellt. Nichts ist mehr, wie es vorher war. Neben den gravierenden körperlichen und seelischen Auswirkungen ist die finanzielle Zukunft in Frage gestellt. Geschädigte fühlen sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht.
Für Geschädigte ist es wichtig zu wissen, dass sie Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn die Querschnittlähmung durch einen Behandlungsfehler oder einen unverschuldeten Unfall verursacht wurde. Neben dem materiellen Schadensersatz, etwa für Pflegekosten oder Verdienstausfälle, steht ihnen auch ein immaterieller Schadensersatz zu: das sogenannte Schmerzensgeld
Es soll zum einen Schäden kompensieren, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Zum anderen soll es dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Gelähmten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat.
Kriterien für die Schmerzensgeldhöhe
Wie hoch das Schmerzensgeld ausfällt, hängt von vielen und auf den jeweiligen Einzelfall ausgerichteten Faktoren ab, wie z.B.
- Art und Umfang der Verletzung
- Schmerzen
- Verlauf und Intensität der Heilbehandlung
- Alter des Geschädigten
- mögliche Komplikationen und Dauerschäden
- psychische Einschränkungen.
Anhaltspunkte, um die Schmerzensgeldhöhe zu ermitteln (aber auch wirklich nicht mehr), bieten manchmal die in Schmerzensgeldtabellen veröffentlichten Vergleichsentscheidungen. Es ist jedoch entscheidend, wirklich vergleichbare Verletzungsbilder zu finden, was in vielen Fällen jedoch nicht möglich ist. Hier spielt die Erfahrung des Anwalts eine entscheidende Rolle, vor allem dann, wenn sich keine vergleichbaren Urteile finden, die das ganz spezielle Schicksal des Geschädigten widerspiegeln.
Die Rechtspraxis zeigt: Schmerzensgelder für Querschnittlähmungen bewegen sich zwischen 50.000 und 500.000 Euro – mit steigender Tendenz. Entscheidend sind bei der Bemessung immer wieder die Besonderheiten des Einzelfalles, wie ein Blick auf aktuelle Urteile unterstreicht.
Mehr Geld für junge Opfer
So sprach das Oberlandesgericht (OLG) Köln einem 45-jährigen Patienten mit einer partiellen Querschnittlähmung nach einem Behandlungsfehler 75.000 Euro zu. Infolge eines fehlerhaften Eingriffs leidet der Mann an chronischen Schmerzen, einer rechtsseitigen Störung der Feinmotorik sowie an einer Blasenentleerungsstörung.
Eine nach einem Unfall vom Halsansatz abwärts querschnittgelähmte Mutter von drei Kindern wiederum erhielt nach einem Urteil des OLG Celle 275.000 Euro.
Das OLG Hamm sprach einer zum Unfallzeitpunkt 18-jährigen Querschnittgelähmten sogar 430.000 Euro zu. Neben der Lähmung leidet sie infolge des Unfalls an einem Kurzdarmsyndrom. Dies und das jugendliche Alter führten zu einem höheren Schmerzensgeld.
Das OLG München sprach einer querschnittgelähmten Klägerin nach einem Behandlungsfehler sogar 500.000 Euro zu. Die vom vierten Halswirbel an vollständig gelähmte junge Frau kann ihre Hände wegen einer inkompletten Tetraparese nur eingeschränkt benutzen. Sie ist ihr Leben lang auf fremde Hilfe angewiesen.
In einem Urteil aus dem Jahr 2021 hat das Schleswig-Holsteinische OLG einem durch einen Unfall querschnittgelähmten Mountainbikefahrer ein Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 Euro zugesprochen. Unfallursache war ein über einen unbefestigten Weg gespannter doppelter Stacheldraht. Der Mountainbikefahrer hat den Draht zwar bemerkt, doch konnte er sein Fahrrad nicht mehr rechtzeitig vor der Absperrung bremsen. Bei dem Sturz brach er sich einen Halswirbel und ist seitdem ab dem 4. Halswirbel komplett querschnittgelähmt.
Warum ein Schmerztagebuch wichtig ist
Der Überblick zeigt, dass die Unterschiede in der Bemessung des Schmerzensgelds erheblich sind. Deshalb ist es wichtig, den jeweiligen Fall detailliert und nachvollziehbar aufzubereiten.
Daher bitten wir unsere Mandantinnen und Mandanten, in einem ausführlichen Gedächtnisprotokoll über ihre Schmerzen und Beeinträchtigungen zu berichten – zum Beispiel in Form eines Schmerztagebuchs.
Darin sollten sie auch sämtliche Arztbesuche festhalten und medizinische Berichte und Gutachten hinterlegen. Wenn die Verletzungen und deren Folgen deutlich sichtbar sind, sollten zudem Fotos gemacht werden. Auf Basis dieser Informationen wird die Argumentation für ein angemessenes Schmerzensgeld deutlich vereinfacht.
Rechtsanwalt und Partner Thomas Gfrörer
spezialisiert auf die Vertretung unfallbedingt querschnittgelähmter Menschen