Geburtsschaden durch Asphyxie: Sauerstoffunterversorgung vor, während oder nach der Geburt
Die Geburt eines Kindes ist in der Regel einer der schönsten und größten Momente für Eltern und Familie. Doch manchmal kommt alles anders als erwartet: Es gibt Probleme bei der Geburt, die gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes und die Lebensrealität der Eltern haben. Eine mögliche Komplikation ist die Asphyxie, die Sauerstoffunterversorgung des Säuglings, die in etwa 1 – 3% der Geburten vorkommt. Die Auswirkung sind oftmals beträchtlich.
Mögliche Ursachen einer Asphyxie
Zu einer Sauerstoffunterversorgung kann es kommen, wenn z.B. die Plazenta das Kind nicht mehr richtig versorgt wird oder sie sich unbemerkt von der Gebärmutterwand ablöst.
Sie wird auch begünstigt durch
- Nabelschnurkomplikationen
- Infektionen
- einen angeborenen Herzfehler
- falsche Lage des Kindes (Steißlage oder Beckenendlage)
- Hirnblutungen
- sonstige Verletzungen (z.B. durch Sturz der Schwangeren oder Geburtsverletzungen
Folgen einer Asphyxie
Bei einer Sauerstoffunterversorgung reagiert der Körper des Neugeborenen mit einer Verlangsamung der Atmung bis hin zum Atemstillstand. Wenn die Hebamme oder der Arzt in dieser Situation nicht richtig handeln, kann es zu einer schwerwiegenden Hirnschädigung des Kindes kommen.
Schnell, mitunter innerhalb von Minuten, kann es zur Schädigung von weiteren Organen kommen. Auch eine schweren Asphyxie (ein drohender Erstickungszustand durch Absinken des arteriellen Sauerstoffgehalts) und damit eine lebensbedrohliche Situation für den Säugling ist nicht ausgeschlossen.
Selbst wenn es den Ärzten gelingt die Sauerstoffversorgung wiederherzustellen, kann es zur dauerhaften Schädigung von Lunge und Nervengewebe bis hin zu Schäden an Herz, Nieren oder Gehirn kommen.
Ist eine Unterversorgung des Kindes immer ein Behandlungsfehler?
Nicht jede Schädigung des Neugeborenen muss ein Behandlungsfehler sein. Durch genaue Beobachtung des CTG (Kardiotokografie oder Wehenschreiber) können Hebamme und Ärzte das Wohlbefinden des Kindes feststellen, da dort die Herztätigkeit des Kindes erfasst wird. Weitere Diagnostiken stehen den Gynäkologen jederzeit zur Verfügung. So können sie auf eine Mikroblutuntersuchung zurückgreifen, um dadurch vor oder während der Geburt wichtige wegweisende Informationen zu erhalten. Kurz nach der Geburt geben die Blutgasanalyse und der pH-Wert der Nabelschnur aufschlussreiche Informationen über die Situation des Kindes.
Ein weiteres wichtiges diagnostisches Kriterium ist der Apgar-Score, der einen ersten Rückschluss auf die Konstitution des Kindes gibt. Die Messung erfolgt unmittelbar nach der Entbindung im Abstand von einer, fünf und zehn Minuten. Die Skala geht von 0 bis 10 Punkten, wobei 10 das Optimum darstellt. Ein klassisch schlechter Apgar-Wert wäre daher z.B. 2/4/4.
Viele dieser Werte und Diagnostiken geben also Rückschlüsse darüber, ob bei dem Neugeborenen ein Handlungsbedarf des Arztes bzw. der Hebamme besteht. Werden die Diagnostiken nicht ausgeführt oder die Ergebnisse falsch bewertet und kommt es zu einer Schädigung des Neugeborenen, kann das ein schwerwiegender Behandlungsfehler sein.
Was Eltern tun können
Die genaue Aufarbeitung des Sachverhalts gemeinsam mit den Eltern unter Zuhilfenahme der Unterlagen der Klinik bzw. des Gynäkologe ist entscheidend für den Erfolg. Sie sollte frühzeitig in Begleitung eines auf Geburtsschäden spezialisierten Fachanwalts für Medizinrecht erfolgen.
Sie können diese Arbeit wesentlich unterstützen, indem Sie sofort beginnen, ein Gedächtnisprotokoll zu erstellen. Denn die Behandlungsdokumentation gibt nur wieder, wie der Arzt und das Krankenhaus Ihren Fall wahrgenommen haben. Auch wenn das nicht falsch sein muss, kann es doch vorkommen, dass etwas nicht notiert oder anders verstanden wurde. Ein Gedächtnisprotokoll hilft, diese Umstände in das richtige Licht zu rücken.
Sollten Sie sich noch in Behandlung befinden, achten Sie auch darauf, dass wesentliche Punkte in der Behandlungsdokumentation festgehalten werden.
Hohe Schadensersatzbeträge bei Geburtsschäden
Die möglichen Schäden des Neugeborenen durch einen Behandlungsfehler unter der Geburt führen in der jüngsten Rechtsprechung zu beachtlichen Schmerzensgeldbeträgen. Je nach Schwere des eingetretenen Schadens werden Beträge um die 700.000 € ausgeurteilt (z.B. OLG Hamm, Urt. 17.12.2021 Az. 26 U 102/20 – 500.000 €).
Zu dem Schmerzensgeld kommen weitere Schadenersatzleistungen wie
- der Bedarf des Kindes, was Unterstützung bei der Pflege und der Verrichtung des täglichen Lebens betrifft
- der Mehraufwand in Form von notwendigen Umbauten
- ggf. der fiktive Verdienstausfall
- sonstigen Aufwendungen, die die Eltern i.d.R. nicht vom Sozialträger erhalten.
Nicht selten kommt es daher zu Entschädigungsleistungen, die im einstelligen Millionenbereich liegen.
Wir unterstützen Sie mit unserer langjährigen Erfahrung bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Neben unserer Expertise im Geburtsschadensrecht beraten wir Sie gerne auch im Sozialrecht und Versicherungsrecht umfassend in allen Fragestellungen rund um das Thema Geburt.
Rechtsanwalt Alexander Rüdiger Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
Lehrbeauftragter der Universität Siegen