Was für Zeiten… kann man wirklich glauben, was man liest?
Da ruht sich ein Rentner, alt und krank, während eines Spaziergangs mit seinem Hund auf einer Bank an einer Bushaltestelle aus, ganze 8 Minuten. Dafür erhält er von der Stadt Düsseldorf einen Bescheid mit einem Verwarnungsgeld über 35 €. Die Begründung: Er habe die Bank zweckentfremdet genutzt.
Kann man das wirklich glauben? Sind das nicht eher Fake News? Bildzeitungsstil?
Doch nein. Die Geschichte ist wahr. So geschehen vor wenigen Tagen in Düsseldorf.
Das sieht für mich nach einem übergeschnappten Ordnungshüter aus, der seinen Frust ablässt. Und ich frage mich weiter: Welcher instinktlose oder desinteressierte Beamte hat diesen Bescheid unterzeichnet? Beide sollten meiner Meinung nach entlassen werden. (Gute Nachricht: Der Bescheid wurde inzwischen zurückgenommen.) Es ist für mich manchmal unfassbar, was in unserer Gesellschaft möglich ist. Menschliches Miteinander, Mitgefühl, das Verständnis zwischen Bevölkerung und Politik – alles schmilzt scheinbar dahin wie das Eis am Nordpol oder die Gletscher in Grönland. Und ähnlich wie beim Klimawandel ist auch hier keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil, die Fronten verhärten sich, egal, wohin man schaut.
Gier ersetzt Menschlichkeit
Die Instinktlosigkeit und das Desinteresse, das sich im Verhalten der Düsseldorfer Ordnungshüter zeigt, ist kein Einzelfall. Es ist seit Jahren leider auch in der Versicherungswirtschaft zu beobachten – mit Tendenz nach oben. Berechtigte Ansprüche von Geschädigten werden allzu oft ignoriert, dementiert oder als selbstverschuldet hingestellt. Eine korrekte Schadensregulierung gibt es im Grunde nicht mehr. Hier gilt das Prinzip „Gier“.
In einem anderen Blogbeitrag habe ich bereits über das unmenschliche Regulierungsverhalten mancher Versicherer geschrieben. Dieses Verhalten, die Macht der Versicherer, die Unfähigkeit der Justiz und die Ohnmacht der Betroffenen führt mir das alles jetzt in dem ganz aktuellen Fall eines Mandanten erneut sehr deutlich vor Augen.
Ein Beispiel
In einem Arzthaftungsfall, der annähernd 20 Jahre zurückliegt und in dem seit ca. 15 Jahren prozessiert wird, ist die Haftung endlich geklärt.
Doch wie verhält sich die Versicherung, da jetzt klar ist, dass sie zahlen muss?
Der Schaden im Falle des Mandanten beträgt mehrere Millionen Euro. Die Versicherung war bei Eintritt des Schadens verpflichtet, Rückstellungen in Höhe von mindestens 2 bis 3 Millionen (damals noch) DM zu bilden. Aus dieser Rückstellung steht der Versicherung heute mehr als der doppelte Betrag zur Verfügung. Dennoch bietet sie dem Geschädigten weniger als ein Drittel der Rückstellungen an. Das heißt, aus dem Schaden wird noch ein Gewinn für die Versicherung, sollte der Mandant den Minivergleich annehmen.
Natürlich könnte der Mandant den Prozess fortsetzen, müsste dann aber weitere zehn Jahre in Angst, finanzieller Not und unter dem Druck leben, die die unmenschliche Behandlung durch die Gegenseite bewirkt. Nicht wenige Mandanten geben an dieser Stelle auf und nehmen das angebotene Almosen an. Sie sind zu müde zum Weiterkämpfen.
Wo ist die Lösung
Mir ist nicht begreiflich, dass sich die Politik so wenig um die Interessen Schwerstgeschädigter kümmert. Genauso unverständlich ist es, dass die Justiz ihre Möglichkeiten nicht ausschöpft. Wenn Verfahren zehn Jahre und mehr dauern, kommt die Hilfe für den Geschädigten in den meisten Fällen zu spät. Betroffene haben kein Lobby.
Vergessen diejenigen, die sich heute derart gewissenlos und menschenverachtend verhalten, dass das Schicksal auch sie selbst in jeder Sekunde treffen kann?
Wo ist die Lösung?
Martin Quirmbach, Experte für Arzthaftungsrecht / Gründungspartner, Namensgeber und seit 2018 Berater der Kanzlei