Mediation bei schweren Personenschäden – eine neu entdeckte Chance?
Gerade Menschen, die durch einen Unfall oder einen ärztlichen Behandlungsfehler nicht nur körperliche, sondern auch weitreichende psychische Beeinträchtigungen erlitten haben, werden von der gegnerischen Versicherung oft nicht ernst genommen oder ganz abgewiesen. Und je länger die Auseinandersetzung dauert, desto schwieriger wird es nachzuweisen, dass die psychischen Probleme unfallbedingt sind und keine anderen Ursachen haben.
Mediation: Alternative zu langwierigen (Gerichts-)Verfahren
In zwei Fällen habe ich inzwischen eine wirklich gute Alternative gefunden, um langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden: Mediation.
Mediation ist ein freiwilliges, außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren, bei dem die Beteiligten mit Hilfe eines neutralen Dritten selbstbestimmt eine zukunftsorientierte Lösung erarbeiten, bei der es keine Verlierer gibt. Die Mediation läuft immer nach einem bestimmten Grundablauf ab, an den sich alle Beteiligten halten. Außerdem verpflichten sie sich zu absoluter Vertraulichkeit.
Ausführliche Informationen zur Mediation finden Sie hier: Mediation – was ist das?
Erfolgreiche Mediationen – zwei Beispiele aus der Praxis
Eine meiner Mandantinnen erlitt bei einem Verkehrsunfall vor etwa 12 Jahren nicht nur körperliche, sondern auch schwere psychische Schäden. Bevor sie uns das Mandat übertrug, hatte sie bereits mehr als elf Jahre mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung um ihr Schmerzensgeld gerungen. Die Fronten waren völlig verhärtet.
Nachdem wir den Fall übernommen hatten, schlug uns der Versicherer vor, ein Mediationsverfahren durchzuführen. Wir stimmten zu, nicht zuletzt um der gesundheitlich angeschlagenen Mandantin einen langwierigen Prozess möglichst zu ersparen. Ein Gerichtsverfahren sollte ohnehin nur das allerletzte Mittel sein.
Die Mediation wurde von einem Reha-Dienstleister, der Firma ReIntra, durchgeführt. ReIntra ist als Reha-Dienst zwar grundsätzlich zur Neutralität verpflichtet und ich kannte diese Firma aus meiner täglichen Arbeit sehr gut. Dennoch waren meine Klientin und ich eher skeptisch, vor allem was die Auswahl der Mediatoren betraf.
DDiese Bedenken erwiesen sich jedoch als völlig unberechtigt, da es sich bei den eingesetzten Mediatoren um einen am Oberlandesgericht tätigen Richter und einen Rechtsanwalt handelte, die beide selbst im Bereich der Personenschadenregulierung tätig sind.
Die Mediation wurde ganztägig an einem neutralen Ort (in diesem Fall ein Hotel) in verschiedenen Räumen durchgeführt. Teilnehmer waren die bereits genannten Mediatoren, meine Mandantin (die noch eine weitere Person zur Unterstützung mitgebracht hatte), ich als ihr Anwalt und die Sachbearbeiterin der gegnerischen Versicherung sowie deren direkte Vorgesetzte.
Mediation bietet einen besonderen Rahmen
Zum ersten Mal seit zwölf Jahren standen sich meine Mandantin und die gegnerischen Sachbearbeiterinnen persönlich gegenüber. Durch die besondere Vorgehensweise in einem Mediationsverfahren hatte meine Mandantin die Möglichkeit, ihre Situation mit eigenen Worten und aus ihrer Sicht darzustellen. Endlich konnte sie über ihre Erfahrungen mit dem bisherigen Regulierungsverhalten der Versicherung sprechen und schildern, was der jahrelange Kampf bei ihr innerlich ausgelöst hat. Auch die Sachbearbeiterinnen der Haftpflichtversicherung hatten Gelegenheit, meiner Mandantin zu erläutern, warum es sowohl juristisch als auch menschlich so schwierig war, den Fall früher abzuschließen. Eine einmalige Situation, die ein Gerichtsverfahren so nicht bieten kann.
In diesem konkreten Fall haben sich die Sachbearbeiter sogar bei meiner Mandantin entschuldigt – für sie eine unbezahlbare Genugtuung!
Nur Gewinner, keine Verlierer
Natürlich ging es in dem Verfahren auch und vor allem um die Schadensregulierung, um die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz. Aufgrund des besonderen Verfahrens, das sich nicht an die üblichen juristischen Spielregeln hielt, konnte relativ schnell eine für alle Beteiligten hervorragende Lösung gefunden werden. Damit wurde ein zwölf Jahre währender Rechtsstreit nicht nur beendet, sondern auch befriedet. Alle Parteien konnten ihr Gesicht wahren und es gab nur Gewinner, keine Verlierer.
In einem zweiten Fall ging es im Wesentlichen um die Frage, welche beruflichen Perspektiven der geschädigte Mandant ohne den Unfall gehabt hätte, denn danach ist der Verdienstausfallschaden zu bemessen. Auch in diesem Fall wurde fast zwölf Jahre lang erfolglos verhandelt. Da absehbar war, dass wir uns nicht einigen können und das Ganze wohl in einem langjährigen Rechtsstreit enden würde, schlug ich dem gegnerischen Sachbearbeiter vor, es doch einmal mit einer Mediation zu versuchen.
Er war von meiner Idee begeistert, zumal in seinem Haus schon mehrfach Mediationen durchgeführt worden waren. Auch hier konnten wir einen fast zwölf Jahre alten Fall zur Zufriedenheit aller Beteiligten beenden und befrieden.
Mediation und Menschlichkeit
Inzwischen bin ich ein Fan dieser Art von Verhandlungen geworden, nicht zuletzt, weil in der Mediation immer auch der menschliche Aspekt berücksichtigt wird. Das ist sonst weder in einem außergerichtlichen noch in einem gerichtlichen Verfahren der Fall.
Natürlich kommt eine Mediation nicht immer in Frage und sie ist auch nicht immer erfolgreich, aber die Erfolgsaussichten liegen immerhin bei über 70 %.
Ich werde meinerseits alles tun, damit dieses Projekt und dieser Ansatz weiterhin erfolgreich sind.
Thomas Gfrörer, Rechtsanwalt und Partner