Schmerzensgeldtabellen – Sinnhaftigkeit und Grenzen
Der Arbeitskreis II des 52. Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar, geleitet von Wolfgang Wellner, einem Richter am Bundesgerichtshof (BGH), wird sich mit dem Problemfeld Schmerzensgeld und Schmerzensgeldtabellen auseinandersetzen. Unser Anwaltsbüro wird durch Frau Rechtsanwältin Melanie Kamper in diesem Arbeitskreis vertreten sein.
Schmerzensgeldtabellen – nur eine Orientierungshilfe
Immaterielle Schäden sind nicht unmittelbar in Geld messbar, doch müssen sie für die Berechnung des Schmerzensgelds beziffert werden. Die Praxis arbeitet mit Schmerzensgeldtabellen, in denen Vergleichsentscheidungen aufgelistet sind. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) es nicht nur zugelassen, sondern sogar ausdrücklich eingefordert, sich bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe an vergleichbaren Entscheidungen zu orientieren. Es besteht jedoch keine Bindung an diese Entscheidungen. Das ist auch gut so, denn der Anspruch der Geschädigten wird in Schmerzensgeldtabellen nur selten wirklich korrekt dargestellt. Vor allem können sie nicht berücksichtigen, dass es um einen Einzelfall geht, um einen Menschen, der sich in einer Situation befindet, die mit nichts vergleichbar ist. Sie sind also eher Orientierungshilfe und als Mittel der Information und der Rechtsfindung zu verstehen.
Auswahlkriterien
Die Auswahlkriterien für die Aufnahme einer Entscheidung in diese Tabellen sind rein willkürlich, sie haben keinerlei wissenschaftlichen Hintergrund oder auch nur eine statistische Grundlage. Außergerichtlich regulierte Fälle tauchen in den Tabellen gar nicht auf, und auch gerichtliche Vergleiche sind nicht enthalten. Da die in Vergleichen ausgehandelten Beträge in der Regel deutlich höher sind, als die in den Schmerzensgeldtabellen veröffentlichten, bedeutet das nichts anderes, als dass eine strikte Anwendung der Tabellen für die Verletzten nachteilig ist.
Zudem sind bei weitem nicht alle Entscheidungen in dem Tabellenwerk enthalten, da lediglich eine begrenzte Anzahl, nämlich nur die, die dem Herausgeber der Tabelle mitgeteilt wurden, veröffentlicht werden. Auch werden sehr viele Entscheidungen veröffentlicht, die schlicht und ergreifend falsch sind.
Schmerzensgeldtabellen sind also äußerst kritisch zu bewerten. Es wird spannend, wie sich die Diskussionen beim Verkehrsgerichtstag entwickeln und mit welchem Ergebnis die Tagung enden wird.
Die bisherige Praxis sollte auf jeden Fall geändert werden, um Benachteiligungen der Geschädigten zu vermeiden. Hierzu gehören klare und transparente Kriterien. Denkbar wäre eine Regelung durch den Gesetzgeber dahingehend, nachvollziehbare und katalogisierte Bemessungskriterien zu schaffen, wie dies in ausländischen Rechtsordnungen bereits teilweise der Fall ist.