Wenn die eigene Rechtsschutzversicherung zum Gegner wird
Eine Rechtsschutzversicherung soll ein starker Partner sein. Sie soll dem Kunden helfen, seine Rechte durchzusetzen. Ein Prozess kann viele Tausend Euro kosten. Diese Kosten muss die Rechtsschutzversicherung übernehmen. Leider ist das gerade im Arzthaftungsrecht nicht immer ohne Weiteres die Realität.
Es gibt eine Tendenz, dass Rechtsschutzversicherungen die Deckungszusage erschweren oder sogar ganz verweigern. Hier darf der Kunde nicht klein beigegeben. Denn die Hürden für die Kostenzusage liegen niedrig.
Voraussetzungen für Rechtsschutz
Bundesgerichtshof (BGH) und Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben festgestellt, dass die Rechtsschutzversicherung unter den gleichen sachlichen Voraussetzungen Versicherungsschutz zu gewähren hat, unter denen Prozesskostenhilfe (PKH) gem. § 114 ZPO bewilligt wird. Demnach bedarf es nur
- eines schlüssigen Vortrages, der
- hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und der
- nicht mutwillig erscheint (BGH NJW 1988, 266; BVerfG NJW 2003, 2976).
„Schlüssig“ ist der Vortrag, wenn bei seiner Zugrundelegung der geltend gemachte Anspruch bestünde (z.B. ärztlicher Behandlungsfehler führt zu Gesundheitsschaden).
„Hinreichend“ sind die Erfolgsaussichten, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (größer als 50 %) mit dem Obsiegen gerechnet werden kann.
„Mutwillig“ ist die Rechtsverfolgung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, „bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht“ (so die gesetzliche Definition in § 114 ZPO).
Wichtig ist, dass es der Rechtsschutzversicherung untersagt ist, bei mehreren Versionen des Sachverhaltes, einer dieser Version den Vorrang zu geben. Denn diese stellen eine sogenannte unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar. Wenn z.B. die ärztliche Dokumentation von der Darstellung des Patienten abweicht, dann darf die Rechtsschutzversicherung nicht die Dokumentation zugrundelegen und die Deckungszusage mit diesem Argument verweigern.
Praxistipp
Wer als Patient Schadensersatz geltend machen möchte, sollte gegenüber der Rechtsschutzversicherung
- den Sachverhalt (Behandlungsfehler und daraus folgender Schaden) sorgfältig mit allen Details darstellen,
- Zeugen (mit Namen und Anschrift) benennen und exakt darstellen, welche Sachverhaltsdetails diese bestätigen können und
- nötigenfalls die Darstellung durch Unterlagen (Behandlungsunterlagen, Atteste, Steuerbescheide etc.) belegen.
Prozess gegen die eigene Rechtsschutzversicherung
Im schlimmsten Fall muss ein Prozess gegen die eigene Rechtsschutzversicherung geführt werden.
Die Itzehoer Rechtsschutz Union hat in einem meiner Fälle z.B. die Deckungszusage erst erteilt, nachdem sie in erster Instanz verurteilt worden war und das Landgericht in der Berufungsinstanz die Entscheidung bestätigt hat. Es lohnt sich, einen Blick in die Entscheidung des Landgerichtes zu werfen:
„(…) Denn an die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Sie sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schon dann erfüllt, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht. (…) (Seite 4)
Allein daraus, dass ein Arzt eine Dokumentation geführt hat, lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten (Itzehoer Rechtsschutz Union) auch nicht der Schluss ziehen, dass diese Dokumentation zutreffend und vollständig ist. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Glaubwürdigkeit des Arztes und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben und Unterlagen grundsätzlich höherwertig als diejenigen des Patienten und anderer Personen wären. Der Arzt wäre in einem Haftungsprozess zudem kein Dritter, insb. kein Zeuge, sondern Partei. (…) (Seite 5)
Selbst wenn der Kläger seine Ansprüche gerichtlich geltend machen wollte, wäre mithin aufgrund der zahlreichen Beweisangebote von einer hinreichende Erfolgsaussicht auszugehen. (…) (Seite 6)“ (LG Itzehoe, Beschluss vom 08.07.2021, AZ 1S95/20)