Was Verkehrsteilnehmer im Winter beachten müssen
Immer wieder werden Autofahrer vom ersten Schnee buchstäblich kalt erwischt. Wenn es bis in tiefe Lagen schneit, kommt es immer wieder zu mehr oder weniger schweren Unfällen mit Verletzten und bei Fußgängern zu unfreiwilligen Rutschpartien, die im schlimmsten Fall im Krankenhaus enden.
Nicht angepasstes Verhalten führt zu Mithaftung
Grundsätzlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer, ob motorisiert oder zu Fuß unterwegs, auf die Gefahren der winterlichen Witterung einstellen muss. Auch wenn der Wintereinbruch überraschend kam, muss sich jeder der Gefahrenlage entsprechend verhalten.
Tut er dies nicht und kommt es zu einem Unfall, so begründet das Fehlverhalten in der Regel ein Mitverschulden. Es kann sogar vorkommen, dass derjenige, der unverständlich sorglos gehandelt hat, allein haftet.
Grenzen der Räum- und Streupflicht im Winter
Zwar hat der sogenannte Verkehrssicherungspflichtige (also z.B. die Gemeinde für öffentliche Straßen und Plätze, die Anlieger für die Gehwege vor ihren Grundstücken) im Winter eine Räum- und Streupflicht. Diese gilt jedoch nicht uneingeschränkt, denn er muss nur das tun, was ihm auch zumutbar ist.
So hat die Räum- und Streupflicht eine zeitliche Grenze, die in der Regel an Werktagen um 7.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen um 9.00 Uhr beginnt und jeweils um ca. 20.00 Uhr endet. Außerhalb dieser Zeiten kann nicht unbedingt mit geräumten Wegen gerechnet werden. Außerdem hat der Wetterdienst den Wintereinbruch vorhergesagt, die Verkehrsteilnehmer sind also gewarnt.
Eigenverantwortung geht vor
Die Rechtsprechung fordert von den Verkehrsteilnehmern ein eigenverantwortliches Verhalten. Das bedeutet, dass sich grundsätzlich jeder, egal ob Autofahrer oder Fußgänger, den winterlichen Verhältnissen anpassen und sich auf die Witterungsverhältnisse einstellen muss. Es liegt im eigenen Interesse, rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, z. B. nur gestreute Flächen zu betreten oder zu befahren und außerhalb der Räum- und Streupflicht auf die Benutzung von Straßen und Wegen entweder ganz zu verzichten oder zumindest äußerste Vorsicht walten zu lassen.
Beweislast bei Unfällen und Haftungsteilung
Kommt es zu einem Unfall, muss der Geschädigte diese äußerste Sorgfalt immer beweisen. Wurde auf der einen Seite die Verkehrssicherungspflicht verletzt und liegt auf der anderen Seite Leichtfertigkeit oder Unachtsamkeit des Verkehrsteilnehmers vor, erfolgt eine Haftungsteilung. Der jeweilige Haftungsanteil richtet sich nach dem Grad des Verschuldens.
Fußgänger in der Verantwortung: Stürze auf ungeräumten Wegen
Auch einen Fußgänger kann ein Verschulden treffen. Stürzt er auf einem erkennbar nicht geräumten Fußweg, wird geprüft, ob er den Zustand des Weges kannte, ob er den Weg zum Zeitpunkt des Unfalls benutzen musste, ob es eine Ausweichmöglichkeit gab oder ob der Fußgänger die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.
Mitverschulden von Pkw-Fahrern bei Glatteisunfällen
Einem Pkw-Fahrer wird beispielsweise ein Mitverschulden angelastet, wenn er auf einen Pkw auffährt, der aufgrund von Glatteis ins Schleudern gerät. Die Mithaftung wird damit begründet, dass bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Autofahrer seine Geschwindigkeit nicht den Witterungsverhältnissen angepasst hat. Andernfalls hätte er rechtzeitig bremsen oder ausweichen können und müssen.
Witterungsbedingungen und ihre Auswirkungen auf die Haftung
Hatte der Geschädigte Kenntnis von den besonderen Witterungsverhältnissen und/oder dem Zustand des Weges, kann der Vorwurf der Unaufmerksamkeit kaum ausgeräumt werden. Die Rechtsprechung geht in diesen Fällen in der Regel von einem Mitverschulden aus, das durchaus 50 % und mehr betragen kann. Dies dürfte für alle Fälle von Glatteis mit Ausnahme von Blitzeis gelten.
Meist genügt ein Blick aus dem Fenster am frühen Morgen, um eine eisige und schneereiche Wetterlage zu erkennen. In einer solchen Situation ist es natürlich am sinnvollsten, zu Hause zu bleiben. Lässt sich dies nicht vermeiden, sollte man sich auf Glatteis einstellen. Außerdem sollten nur die notwendigsten Fahrten oder Wege unternommen werden. Kommt es trotz aller Vorsicht zu einem Unfall, sollten Sie unbedingt einen spezialisierten Anwalt mit der Durchsetzung Ihrer Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz beauftragen.
Eleonore Wunder, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Personenschäden nach Unfällen