Neuregelung der Verjährung zur Stärkung der Patientenrechte
Grob vereinfacht verjähren Schadensersatzansprüche im Arzthaftungsrecht drei Jahre nach der Kenntnis. Die Klageerhebung hemmt die Verjährung.
Hohes Prozessrisiko bei Klageerhebung
Klagt ein schwer geschädigter Patient seinen Schadensersatzanspruch in voller Höhe ein, kann das Prozesskostenrisiko so hoch sein, dass es im Einzelfall die wirtschaftliche Existenz bedrohen kann. Denn je höher der Streitwert ist, desto höher sind auch die Prozesskosten.
Bei Teilklage droht Verjährung der restlichen Ansprüche
Klagt der Patient nur einen Teil seines Anspruches ein, droht der Teil des Anspruches, der nicht eingeklagt wird, zu verjähren, weil in drei Jahren ein Prozess i.d.R. nicht beendet werden kann.
Dies führt dazu, dass einige Patienten den Prozess gar nicht erst führen, obwohl ein Anspruch auf Schadensersatz besteht. Andere Patienten gehen das Risiko ein und landen im schlimmsten Fall in der Privatinsolvenz.
Hier ist eine Änderung des Verjährungsrechts dringend erforderlich. Diese Änderung ist mit geringem Aufwand und hoher Wirksamkeit möglich:
Lösungsvorschlag: Hemmung der Verjährung bei Teilklage
Der Patient sollte die Möglichkeit haben, nur einen Teil des Streitwertes mit entsprechend geringerem Kostenrisiko einzuklagen.
Dies könnte dadurch erreicht werden, dass eine sogenannte Teilklage (z.B. über 10.000 €) die Verjährung hinsichtlich des Gesamtanspruchs (z.B. über 800.000 €) für die Dauer des Prozesses hemmt.
Hierzu bedürfte es lediglich einer Ergänzung des § 204 BGB.
Kann der Patient dann im Prozess Fehler, Schaden und Kausalität beweisen, kann er die Klage erweitern und vollen Schadenersatz erhalten.
Gelingt ihm der Beweis nicht, ist er nur einem überschaubaren Kostenrisiko ausgesetzt.
Der Praxisfall
Im Jahr 2020 wird bei einem 60-jährigen Mann in einer Universitätsklinik ein Schlaganfall verspätet erkannt. Die vermeidbaren Folgen sind unter anderem eine Halbseitenlähmung und Berufsunfähigkeit.
Der Streitwert (3,5-facher Jahreswert) könnte hier in der Größenordnung von 400.000 € liegen.
Der Gesamtschaden (kapitalisiert) könnte z.B. 800.000 € betragen.
Die Verjährung droht zum 31.12.2023.
Das Prozesskostenrisiko bei 3 Instanzen läge bei über 100.000 € (zzgl. Gutachterkosten).
Die Prozessdauer läge voraussichtlich über 2 Jahre, möglicherweise über 10 Jahre und könnte unverbindlich mit einer durchschnittlichen Erwartung von 3 bis 5 Jahren verbunden werden.
Die Kosten des gegnerischen Anwalts im Falle des Unterliegens im Prozess beliefen sich auf über 30.000 € (auch bei Prozesskostenhilfe). Denn auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss der Patient die Kosten des gegnerischen Anwalts tragen, wenn und soweit er unterliegt.
Eine Neuregelung der Verjährung könnte hier dem Kläger ermöglichen, durch eine Teilklage den Streitwert niedrig zu halten (z.B. 10.000 € statt 400.000 €) und damit das Kostenrisiko deutlich zu minimieren (15.000 € statt über 100.000 € bei den Gerichtskosten bzw. 6.000 € statt über 30.000 € bei den Kosten des gegnerischen Anwalts im Falle des Unterliegens bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe).
Malte Oehlschläger, Fachanwalt für Medizinrecht