Unfallopfer: Vorsicht beim Verjährungsverzicht
Um Zeit zu gewinnen, holen Anwälte oft einen Verjährungsverzicht bei der gegnerischen Versicherung ein. Das klingt gut, kann aber zu gefährlichen Abhängigkeiten führen.
Wenn Versicherer verbindlich erklären, auf die „Einrede der Verjährung“ zu verzichten, gibt das Unfallopfern zunächst ein sicheres Gefühl. Allerdings gilt eine solche Verpflichtung je nach Vereinbarung meist nur für maximal ein Jahr. Dieser Zeitraum reicht allerdings häufig nicht, weshalb Anwälte immer wieder um eine Verlängerung bitten müssen.
Das sorgt beim Anwalt für Stress und beim Geschädigten für ein unbehagliches Gefühl. Denn Betroffene können nie sicher sein, ob der Versicherer der Verlängerung tatsächlich zustimmt: Das ist allein seine Entscheidung.
Die Alternative: Verjährungshemmung
Allerdings gibt es eine Alternative. Denn im Verkehrsrecht gilt hinsichtlich der Verjährung eine Besonderheit. Gemäß §115 VVG können Geschädigte die Verjährung hemmen, indem sie ihren Anspruch bei der Versicherung anmelden.
Die Verjährungsfrist läuft dann vorerst nicht weiter – und es kann sich erübrigen, den in der Praxis üblichen Verjährungsverzicht einzuholen.
Der Clou: Die Anforderungen an die Anmeldung sind sehr gering. Geschädigte müssen lediglich zum Ausdruck bringen, dass sie wegen des Verkehrsunfalls Ansprüche erheben – egal, ob wegen Sachschäden oder Personenschäden. Es ist nicht notwendig, einzelne Ansprüche näher zu bezeichnen oder gar zu beziffern.
Je nach Konstellation sind Fallstricke zu beachten
Die Verjährung ist dann gehemmt, bis eine eine endgültige schriftliche Entscheidung des Versicherers über die angemeldeten Ansprüche vorliegt. Sie können nicht verjähren, selbst wenn die grundsätzliche Dreijahresfrist abgelaufen ist.
Ein Verjährungsverzicht ist also in der Regel unnötig, und Unfallopfer manövrieren sich nicht in eine gefährliche Abhängigkeit vom Versicherer. Da je nach Konstellation aber Fallstricke zu beachten sind, empfiehlt sich eine dezidierte Prüfung durch einen kompetenten Fachanwalt für Verkehrsrecht.
Melanie Mathis, Fachanwältin für Verkehrsrecht und Partnerin