Unfallopfer im Strafprozess – Aktive Interessenwahrnehmung oder nur Nebenrolle?
Wer Opfer eines Verkehrsunfalls wird, der möchte selbstverständlich seine ihm zustehenden Rechte gegen den Unfallgegner durchsetzen, um finanzielle Wiedergutmachung zu erhalten. Hier ist es wichtig, möglichst frühzeitig spezialisierte anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, da in den meisten Fällen eine Haftpflichtversicherung auf der Gegenseite steht, die die zivilrechtliche Regulierung durchführt.
Gerade bei schwereren Unfällen sieht sich der Geschädigte aber auch noch einem strafrechtlichen Bereich gegenüber, denn Polizei und Staatsanwaltschaft sind von Gesetzes wegen verpflichtet, ein Strafverfahren gegen den Unfallverursacher einzuleiten. Bei schweren Unfallfolgen wird es daher zu einer Anklage und Gerichtsverhandlung kommen. Hierauf hat der Geschädigte also keinen Einfluss.
Welche Möglichkeiten gibt es nun?
Das Unfallopfer ist regelmäßig Zeuge
Oft werden Unfallopfer nur als „passive“ Zeugen im Strafprozess aussagen (wollen). Das bedeutet, sie haben keine Möglichkeit, aktiv auf das Verfahren Einfluss zu nehmen und das Prozessergebnis in ihrem Interesse zu beeinflussen. Sie sind grundsätzlich zu einer Aussage verpflichtet und haben keine Möglichkeit, sich davon befreien zu lassen.
Die Nebenklage bietet deutlich mehr Rechte
Wer sich mit dieser Nebenrolle nicht zufrieden geben will, der kann eine Nebenklage durchführen. Nebenklage bedeutet hier, dass auch das Unfallopfer – neben der Staatsanwaltschaft – den Unfallverursacher anklagt.
Durch die Nebenklage wird das Unfallopfer als Beteiligter des Strafverfahrens umfassend in den Prozess involviert. Als Nebenkläger hat er das Recht, Einfluss auf das für ihn schicksalsträchtige Verfahren zu nehmen. Damit wird dem Opferschutz Rechnung getragen, denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass Unfallopfer ein besonderes Interesse an der Strafverfolgung des Täters haben.
Bei Unfällen ist die Nebenklage immer dann zulässig, wenn
- schwere Verletzungen vorliegen
- es um die Klärung eines Mitverschuldens des Verletzten geht
- es um die Auswirkungen des Strafverfahrens auf den noch nicht abschließend regulierten Verkehrsunfall geht.
Der Nebenkläger hat besondere Rechte und zwar völlig unabhängig von der Staatsanwaltschaft. Er kann selbst Fragen und Anträge stellen, Beanstandungen erheben und Rechtsmittel einlegen. Er ist im Gegensatz zu einem bloßen Zeugen berechtigt, dem Prozess von Anfang an beizuwohnen.
Damit er alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen kann, sollte er sich durch einen Rechtsanwalt als Nebenklagevertreter unterstützen lassen. Der achtet darauf, dass die Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf nicht nachlässig verfolgt.
2 in 1 – das Adhäsionsverfahren: Entschädigung schon im Strafprozess?
Das Adhäsionsverfahren bietet, neben der zivilrechtlichen Regulierung, dem Geschädigten die Möglichkeit, Schadensersatz und Schmerzensgeld schon im Strafprozess gegen den Angeklagten geltend zu machen. Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass der Geschädigte nach dem meist zuerst laufenden Strafverfahren in dem sich anschließenden, lang andauernden Zivilprozess auf seine Entschädigung warten muss.
Allerdings hat dieses System auch sehr große Nachteile: So kann der Richter den Antrag ablehnen, wenn es nicht geeignet erscheint, bereits im Strafverfahren über eine Entschädigung zu entscheiden. Dies ist meist bei schweren Unfällen und damit einhergehenden komplexen finanziellen Ansprüchen der Fall, denn der Strafrichter kennt sich im Schadenersatzrecht in der Regel nicht aus. So kann es passieren, dass einem Geschädigter in einem Adhäsionsverfahren beispielsweise 2000 € Schmerzensgeld zugesprochen werden, er in einem zivilrechtlichen Verfahren aber mindestens 100.000 € bekommen würde.
Zudem darf der Unfallgegner im Strafprozess schweigen oder gar lügen. Im Zivilprozess dagegen hat er eine Wahrheitspflicht, denn hier ist er Partei. Hinzu kommt, dass bei Unfällen im Regelfall eine Versicherung die Leistung erbringt und verklagt werden kann. Wenn es um hohe Entschädigungsbeträge geht, ist der Unfallgegner kaum in der Lage, diese Summen aus eigener Tasche aufzubringen.
Aus diesen Gründen raten wir vom Adhäsionsverfahren als schnelle finanzielle Regulierungsmöglichkeit für schwere Unfallgeschehen ab. Die Regulierung sollte immer m zivilrechtlichen Bereich erfolgen.
Fazit
Die Nebenklage bietet für Unfallopfer und deren Familien in einem zeitlich frühen Stadium die Option, das Geschehen mit aufzuklären und zu verarbeiten.
In der Nebenklage lassen sich ggf. schon Weichen für die zivilrechtliche Regulierung stellen, die in der Regel länger dauert als das Strafverfahren.
In vielen Fällen möchte der Geschädigte vielleicht auch nur das Ergebnis der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Unfallverursachers mitbestimmen.
Grundsätzlich sollte – sowohl zivil- als auch strafrechtlich – stets eine Vertretung durch einen spezialisierten Anwalt erfolgen.
Michaela Fischer, Fachanwältin für Verkehrsrecht, Fachanwältin für Strafrecht