Schockschaden – BGH stärkt Rechte von Angehörigen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Entscheidung vom 06.12.2022 (VI ZR 168/21) die bisherige Rechtsprechung zur Geltendmachung von sogenannten Schockschäden zugunsten der Geschädigten geändert. Die bisher strengen Voraussetzungen für solche Ansprüche wurden mit der Entscheidung für die Zukunft geändert.
Was war geschehen?
Der BGH hat in seinem Urteil einem Vater, der erfahren hatte, dass seine Tochter in der Vergangenheit mehrfach sexuell missbraucht worden war, einen eigenen Schmerzensgeldanspruch zugesprochen.
Schockschaden – was ist das?
Ein Schockschaden ist ein Schaden psychischer Art, den z.B. Angehörige von Unfallopfern oder Opfern von Behandlungsfehlern erleiden, wenn die Opfer schwer verletzt werden oder gar sterben. Das Miterleben solcher Ereignisse führt bei den Angehörigen nicht selten zu einer psychischen Traumatisierung und einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer depressiven Störung. Diese Beeinträchtigungen können unter bestimmten Voraussetzungen einen eigenen Schmerzensgeldanspruch der Angehörigen begründen.
Schockschaden geltend machen
Bisher war die Geltendmachung eines Schockschadens an folgende strenge Voraussetzungen geknüpft:
- Die Geltendmachung ist nahen Angehörigen des primär Geschädigten vorbehalten.
- Es muss sich um einen pathologisch fassbaren Schaden handeln, z.B. durch eine ärztliche Diagnose.
- Der Schaden muss über das hinausgehen, was man üblicherweise bei der Tötung oder schweren Verletzung eines nahen Angehörigen erleidet.
Vorteil der neuen Entscheidung
Mit der neuen Entscheidung hat sich die Rechtsprechung dahingehend geändert, dass der Nachweis einer über das normale Maß der Trauerreaktion hinausgehenden Beeinträchtigung künftig nicht mehr erforderlich ist. Das bedeutet, dass nun auch mittelbar Geschädigte ihre Ansprüche effektiver durchsetzen können.
Da die ersten beiden Voraussetzungen nach wie vor erfüllt sein müssen, ist es für Geschädigte dennoch unerlässlich, sich in ärztliche, psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung zu begeben: zum einen, um die Beeeinträchtigung attestieren zu lassen, zum anderen, um durch die Behandlung auch eine rasche Besserung des eigenen Gesundheitszustandes zu erreichen. Hilfreich kann es auch sein, das Geschehene in einem Gedächtnisprotokoll oder Tagebuch festzuhalten und die inneren Gefühle und Wahrnehmungen möglichst genau zu dokumentieren.