Schmerzensgeld und Schadenersatz bei Geburtsschäden
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 17.3.2015 (Az. 26 U 108/13) einem Kind, das durch eine verspätete Einleitung eines Notkaiserschnitts schwerstbehindert wurde, ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000,00 € zugesprochen.
Das Kind erlitt durch die gravierende Verzögerung der Notfallmaßnahme einen massiven Sauerstoffmangel, der mindestens 29 Minuten andauerte und zu schwersten Hirnschäden und damit zu geistigen und körperlichen Behinderungen führte. Die Vorinstanz, das Landgericht Bielefeld, hatte lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe von 190.000,00 € für angemessen erachtet.
Das OLG Hamm begründete sein deutlich höheres Schmerzensgeld zu Recht mit den gravierenden Schäden, die die Klägerin durch den Sauerstoffmangel erlitten hatte.
Steigende Schmerzensgelder bei Geburtsschäden
Das vom OLG Hamm ausgeurteilte Schmerzensgeld gehört allerdings nicht zu den höchsten in Deutschland. Gerade in den letzten 10 bis 15 Jahren sind die Schmerzensgeldbeträge für Geburtsschäden deutlich gestiegen. So werden bei schwerstgeschädigten Kindern nicht selten Schmerzensgelder in der Größenordnung von 500.000,00 € ausgeurteilt oder in außergerichtlichen Verhandlungen gezahlt. Rechtsanwalt Malte Oehlschläger, Fachanwalt für Medizinrecht, hat im Jahr 2014 mit 700.000 € eines der höchsten Schmerzensgelder erstritten, die in Deutschland für einen Geburtsschaden gezahlt wurden.
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt immer vom Einzelfall ab. Ein Vergleich von Schmerzensgeldentscheidungen ist daher nur grob möglich und kann die individuelle Prüfung des konkreten Sachverhalts nicht ersetzen.
Materieller Schadenersatz bei Geburtsschäden
Leider wird in den Medien oft über die hohen Schmerzensgelder bei Geburtsschäden berichtet, nicht aber über das viel wichtigere Thema, dass dem Kind darüber hinaus ein hoher Schadenersatz im Bereich der sogenannten materiellen Schäden zusteht.
Bedeutung der vermehrten Bedürfnisse und weiterer Schadenersatzansprüche
Das Schmerzensgeld (immaterieller Schadenersatz) ist jedoch im Vergleich zum sogenannten materiellen Schadenersatz bei Geburtsschäden meist der kleinere Teil des gesamten Schadenersatzes. Viel schwerer wiegen dagegen die so genannten vermehrten Bedürfnisse (z.B. häusliche Pflege durch Angehörige, häusliche oder stationäre Krankenpflege, Ersatz von Hilfsmitteln, Umbau der Wohnung/des Kraftfahrzeugs, Kosten für Haushaltshilfe sowie Mehrbedarf für Nahrung, Kleidung, Heizung und Wasser). Darüber hinaus hat das Kind Anspruch auf Ersatz der Kosten für ärztliche Behandlung und Arzneimittel, soweit sie nicht von der Krankenkasse übernommen werden, sowie auf Fahrt- und Besuchskosten, Verdienstausfall und ggf. Ersatz des Haushaltsführungsschadens etc.
Frühzeitige Maßnahmen und anwaltliche Unterstützung
Bei der Geltendmachung der dem Kind zustehenden Ansprüche darf das Augenmerk daher nicht nur auf die Erzielung eines hohen Schmerzensgeldes gerichtet sein. Viel wichtiger ist es, genau zu ermitteln, welche weiteren materiellen Schadensersatzansprüche dem Kind zustehen.
Besteht ein erster Verdacht, dass es bei der Geburt zu Fehlern gekommen sein könnte, sollte möglichst frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Es gilt eine dreijährige Verjährungsfrist, die eine rechtzeitige Geltendmachung der Ansprüche erfordert. Der Fristbeginn liegt nicht zwingend in dem Jahr, in dem der Behandlungsfehler passiert ist, vielmehr kommt es darauf an, wann die Eltern von der fehlerhaften Behandlung Kenntnis hatten oder hätten haben können.
Nicht nur bei Geburtsschäden, aber besonders in diesen Fällen ist es wichtig, frühzeitig ein Gedächtnisprotokoll, eine Art Tagebuch, zu führen, über die notwendige Pflege des Kindes Buch zu führen und auch eine Liste aller Behandler und Behandlungen zu erstellen.
Diese Vorbereitungen sind bei der Durchsetzung der Ansprüche des Kindes sehr hilfreich. Letztlich geht es darum, die Zukunft des Kindes zu sichern und die meist finanziell stark belasteten Eltern zu entlasten.
REDAKTION GEBURTSSCHADENSRECHT
Wir sind spezialisiert auf die Bearbeitung von Geburtsschadensfällen.
Mit langjähriger Erfahrung und fundiertem Fachwissen setzen wir uns engagiert für die Rechte von Familien ein, deren Kinder durch Geburtshilfefehler geschädigt wurden. Unsere Expertise umfasst die umfassende rechtliche Beratung, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen und die Begleitung durch komplexe medizinrechtliche Verfahren. Vertrauen Sie auf unsere Kompetenz und Sensibilität in dieser besonders anspruchsvollen Rechtsmaterie.