Organisationsfehler im Krankenhaus
Es gibt Fälle, die vom Schreibtisch des Rechtsanwaltes aus nur sehr schwer zu verstehen sind: Ein Schlaganfall wird wie ein Magen-Darm-Infekt behandelt, ein Herzinfarkt wie ein Tennisarm und ein Hirntumor wie alltäglicher Kopfschmerz.
Wie ist das möglich?
Nicht selten geraten Ärzte in eine Situation, in die sie gar nicht hätten geraten dürfen. Die Schuld liegt dann nicht bei den Ärzten, sondern bei der Krankenhausleitung. Zu wenig Personal trifft auf zu viele Patienten. In der Notaufnahme befindet sich ein Dutzend Patienten und es treffen 3 neue Rettungswagen mit Notarztbegleitung und schwer kranken Patienten ein. An der Front der Notaufnahme arbeitet aber nur ein Assistenzarzt, der nun bei hohem Zeitdruck die richtigen Prioritäten setzen und die richtigen Entscheidungen treffen muss. Da sind Fehlentscheidungen nicht immer abzuwenden.
Organisationsverschulden kann zu Beweislastumkehr führen
In Fällen, wie den oben genannten, muss deshalb primär mit dem Organisationsverschulden des Krankenhauses argumentiert werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat schon vor Jahrzehnten entschieden, dass Organisationsfehler zu Beweislastumkehr führen können. Wichtig ist es, diese Rechtsprechung auch konsequent anzuwenden und bei den Krankenhausträgern publik zu machen:
„(…) können Beweiserleichterungen (…) nicht nur bei grobem Behandlungsfehlern, sondern in gleicher Weise bei Organisationsfehlern in Betracht kommen. Auch ein Verstoß des Krankenhausträgers gegen die ihm obliegenden Organisationspflichten kann sich im Einzelfall als grob fehlerhaft darstellen.“ [BGH NJW 1996, 2429]
Dies gilt insbesondere auch bei personeller Unterbesetzung. Gerade dann, wenn diese bekannt war, keine Personalreserven gebildet, die Ärzte nicht angewiesen wurden, wie sie bei Engpässen reagieren sollen und sich der Klinikträger dann vielmehr darauf verlassen hat, zu improvisieren [BGH NJW 1985, 2189].
Auch die Instanz-Gerichte bestätigen dies: „Angesichts dessen ist dem Beklagten ein Organisationsverschulden zur Last zu legen (…). (Der Patientin durfte) auch im Notfall (…) davon ausgehen, dass der Beklagte die (…) nicht nur die erforderlichen Räume, Instrumente und Apparate vorhält, sondern auch das benötigte Personal bereitstellt.“ [OLG Hamm GesR 2005, 462-463]
Kurzfristige Ersparnisse offenbaren kurzfristiges Denken
In den Beispielsfällen von oben hätte mehr Personal eine sorgfältige Anamnese und Diagnostik ermöglicht. Die Patienten hätten eine gute Heilungschance gehabt und zu Schadensersatzzahlungen hätte es nicht kommen müssen.
Je mehr solche Fälle zu Gunsten der Patienten entschieden werden, um so früher wird auch für die Krankenhausträger deutlich, dass die kurzfristigen Ersparnisse bei den Personalkosten langfristig zu deutlich höheren Schadensersatzzahlungen führen können.
Von der Qualität der ärztlichen Versorgung ganz zu schweigen.