Informationspflichten aus dem Patientenrechtegesetz
Kommen Ärzte ihren Informationspflichten aus dem Patientenrechtegesetz nach?
Die Aufmerksamkeit im Fachpublikum war groß, als die Bundesregierung im Februar 2013 das sog. Patientenrechtegesetz einführte. Was man dazu las, klang zunächst einmal gut und suggerierte, dass die Hürden bei der Geltendmachung von Schadensersatz nach einem Behandlungsfehler für betroffene Patienten niedriger werden. Doch waren Ärzte- und Patientenvertreter sich schon damals einig, dass das Gesetz im Wesentlichen lediglich Altbekanntes verschriftlicht und wenig Innovationskraft hat.
Jetzt, etwas mehr als fünf Jahre später, scheint sich diese Annahme bewahrheitet zu haben. Nach wie vor sind noch nicht allzu viele höchstrichterliche Entscheidungen zu den §§ 630a ff. BGB ergangen, was natürlich auch auf die mitunter lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist. Aber auch die praktischen Auswirkungen in der außergerichtlichen Bearbeitung von Arzthaftungsmandanten sind bislang überschaubar.
Besondere Erwartungen setzt man als Patientenvertreter in die Norm des § 630 c, Abs. 2, Satz 2 BGB:
„Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.“
Man sollte meinen, dass hier eine Mitwirkungspflicht zulasten der Behandlerseite begründet wurde, die es Patienten, die ja in der Regel medizinische Laien sind, ermöglicht, eine fundierte Aufarbeitung der Behandlung in die Wege zu leiten. Weit gefehlt. Von dieser Norm wird – soweit bisher ersichtlich – in der Praxis kein Gebrauch gemacht. Immer noch kommen betroffene Eltern regelmäßig zur Beratung in die Kanzlei und berichten, dass man sie mit ihren zum Teil schwerstgeschädigten Kindern aus der Behandlung entlassen hat. Sie werden beispielsweise mit der zu optimistischen Ankündigung beruhigt, dass der verursachten Schaden durch gute Therapie wieder ausheilt (etwa im Falle der Lähmung des Plexus brachialis nach Schulterdystokie). Oder der Arzt behauptet, bei dem Kind müsse offenbar eine anlagedingte Schädigung vorliegen oder das Kind habe geraume Zeit vor der Geburt einen Schlaganfall erlitten (so etwa ein häufig bemühtes gegnerisches Argument bei perinatalen Hirnschädigungen).
Selbst wenn später eklatante Verstöße gegen Behandlungsstandards nachgewiesen werden, erfolgt das genaue Gegenteil dessen, was vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehen war: Es wird weiter gelogen, vertuscht, getäuscht und spekuliert.
Kurioserweise zeigt sich aber in der Regulierungspraxis, dass ein offener und ehrlicher Austausch der Standpunkte zum einen wesentlich zur Deeskalation beiträgt und zum anderen auch zu einer reibungsloseren Schadensabwicklung führt. Patienten wie Patientenvertreter erkennen es an, wenn das berühmte „offene Wort“ gesprochen wird. Die wechselseitige Akzeptanz steigt und es wird in aller Regel ein tragfähiger Konsens gefunden.
Es wäre daher allen Betroffenen und auch der Versicherungswirtschaft zu wünschen, wenn sich die Adressaten des § 630 c BGB die Norm verinnerlichen und sich in Selbstreflexion üben würden.
Jan Tübben, Fachanwalt für Medizinrecht