Gefährdungshaftung – was ist das?
Normalerweise setzt ein Schadensersatz ein schuldhaftes Verhalten (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Schädigers voraus.
In bestimmten Fällen besonderer Gefährdung gibt es allerdings Ausnahmen von diesem Prinzip. Ein Ersatzanspruch besteht dann bereits allein deshalb, weil sich eine bestimmte, typische Gefahr konkretisiert hat. Das ist die Gefährdungshaftung, eine „Schadensersatzpflicht, die kein Verschulden (Verschuldenshaftung) voraussetzt, sondern darauf beruht, dass der Ersatzpflichtige bei einer erlaubten Tätigkeit unvermeidlich eine gewisse Gefährdung seiner Umgebung herbeiführt.“
(Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon)
Die Gesellschaft erlaubt bestimmte Betätigungen, auch wenn sie mit Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden sind, weil die gesellschaftliche Nützlichkeit Vorrang vor der Gefährlichkeit hat. So ist das Fahren eines PKWs oder LKWs oder auch das Betreiben eines Kernkraftwerkes trotz der potentiellen Gefährlichkeit erlaubt bzw. sogar gesellschaftlich erwünscht. Kommt es, auch ohne Verschulden des Betreibers, zu einem Personen- oder Sachschaden, muss derjenige, der Nutzen aus der Betätigung zieht, für den Schaden einstehen
Die Gefährdungshaftung beruht also auf dem Gedanken, dass der, der erlaubterweise eine gefährdende Betätigung ausübt oder eine gefährliche Anlage betreibt und daraus Nutzen zieht, den Schaden zu tragen hat, den andere erleiden, wenn sich die Gefahr, die typisch für die Betätigung oder die Anlage ist, verwirklicht hat.
Besonders hervorzuheben sind drei Bereiche der Gefährdungshaftung
Haftung des Kraftfahrzeughalters
Nach § 7 I StVG hat der Halter eines Fahrzeugs die Schäden zu ersetzen, die entstehen, wenn bei dem Betrieb des Fahrzeugs jemand getötet, verletzt oder eine Sache beschädigt wird, selbst dann, wenn er das Fahrzeug beim Unfall nicht gefahren hat. Alleine schon die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs stellt ein besonderes Risiko für die Umwelt dar und für dieses Risiko muss der Halter die Verantwortung übernehmen. Auch wenn ein Unfall nicht auf das Verschulden einer Person zurückzuführen ist, z.B. wenn ein Reifen platzt, haben die Geschädigten Anspruch auf Entschädigung. Allein, weil sich die Gefahr des Fahrzeugs verwirklicht hat, haftet der Halter.
Tierhalterhaftung
Der Tierhalter haftet nach § 833 S. 1 BGB, der Tieraufseher nach § 834 BGB für die Schäden, die entstehen, wenn durch ein Tier ein Mensch getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Auch hier muss der Schaden nicht dadurch entstanden sein, dass der Tierhalter fahrlässig oder vorsätzlich falsch mit dem Tier umgegangen ist. Allein die Verwirklichung der Gefahr, die von einem Tier ausgeht, ist Haftungsgrund. Es gibt nur sehr enge Möglichkeiten für den Tierhalter, sich von der Haftung zu „befreien“.
Haftung des Herstellers eines fehlerhaften Produkts
Der Hersteller eines fehlerhaften Produkts haftet für die Schäden, die entstehen, weil durch den Fehler des Produkts jemand getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wurde. Auch hier ist ein Verschulden des Herstellers nicht erforderlich, der Schaden muss allein durch die Fehlerhaftigkeit des Produkts entstanden sein.
Wichtigste Voraussetzung bei Vorliegen einer Gefährdungshaftung ist also, dass der Schaden deshalb entstanden ist, weil sich genau die Gefahr verwirklicht hat, die für diese Sache oder Betätigung typisch ist.