Geburtshilfe: Viele Hebammen betreuen drei Gebärende gleichzeitig
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bestätigt einen erheblichen Personalmangel bei Hebammen und zudem eine hohe Arbeitsbelastung. Wie aus dem Gutachten hervorgeht, muss fast jede zweite Hebammen in Deutschland drei Gebärende gleichzeitig betreuen. Dabei empfehlen die medizinischen Fachgesellschaften für die stationäre Geburtshilfe eine Eins-zu-eins-Betreuung.
Dazu passen die Zahlen, die das Deutsche Ärzteblatt Ende 2018 veröffentlichte und in denen ebenfalls die Hebammen im Mittelpunkt stehen. Sie geben einen Einblick in die Entwicklung der Häufigkeit von Geburtsschäden: „Die Schadensfälle bei klinischen und außerklinischen Geburten durch freiberufliche Hebammen schwankten zwischen 2004 und 2014 zwischen sechs und 31 Fällen pro Jahr. Im Durchschnitt wurden etwa 20 Geburtsschäden pro Jahr an die Berufshaftpflichtversicherung der freiberuflichen Hebammen gemeldet“.
Mit ausreichend Personal ließe sich die Zahl der Geburtsschäden deutlich reduzieren.
Zentralisierung der Geburtshilfe schreitet voran
Betrachtet man die Entwicklung der Geburtshilfe in Deutschland in den letzten 25 Jahren, so wird gerade vor dem Hintergrund des Rückgangs der Kreißsäle (1.200 Kreißsäle 1991 / 690 Kreißsäle 2018) deutlich, dass die sogenannte Zentralisierung der Geburtshilfe, also der Trend zur Entbindung in größeren, höher qualifizierten Kliniken, in vollem Gange ist.
Trotz dieses Trends zur Zentralisierung wird immer noch ein Fünftel aller Geburten in Deutschland von freiberuflichen Hebammen betreut, die nicht in den Klinikbetrieb eingebunden sind. Dabei handelt es sich um Hebammen, die als Beleghebammen, in Geburtshäusern oder bei Hausgeburten arbeiten (Quelle: Frankfurter Rundschau online, 11.8.2018).
Der Bericht der Ärztekammer weist darauf hin, dass es nach wie vor kein verlässliches Register zur Erfassung von Geburtsschäden (Geburtsschadenregister) gibt. Ein solches Register sei aber dringend notwendig, um mehr Transparenz über Qualitätsdefizite in der klinischen und außerklinischen Geburtshilfe zu erhalten.
Geburtsschäden auch in großen Spezialkliniken ein Thema
Der Artikel lenkt davon ab, dass es auch in großen Spezialkliniken eine hohe Zahl von Geburtsschäden gibt. Im Bereich der außerklinischen hebammengeleiteten Geburtshilfe überwiegen Fehler, die vor allem auf mangelnde diagnostische Möglichkeiten und Selbstüberschätzung zurückzuführen sind: kein CTG verfügbar, kein Ultraschall, keine Möglichkeit zum Notkaiserschnitt, keine Möglichkeit zur adäquaten neonatologischen Versorgung. Am gravierendsten ist jedoch die Unkenntnis der Facharzt- und Überweisungsindikationen.
In großen Kliniken/Zentren stellt sich das Problem unzureichender Organisationsstrukturen: häufiger Einsatz von Berufsanfängern, Schnittstellen- und Kommunikationsmängel zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Personal, Verkomplizierung der Abläufe durch hierarchische Weisungsunterschiede.
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Forderung nach einem nationalen Aktionsprogramm zur Prävention von Geburtsschäden
Mit einer besseren Kommunikation zwischen den Berufsgruppen und ausreichendem Personal könnten Geburtsschäden reduziert werden. „Das sind genau die strukturellen Verbesserungen, die die Geburtshilfe für alle Frauen insgesamt verbessern würden. Doch Gesundheitsminister Spahn fehlt offensichtlich der Wille, diese Strukturprobleme endlich zu beheben.“ Die Grünen-Abgeordnete Kappert-Gonther fordert ein nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung von Geburtsschäden. Darin müssten zum Beispiel Leitlinien für die Geburtshilfe, Kommunikationsregeln und Personalschlüssel festgelegt werden. Ein solches Programm sollte auch die Einführung eines Registers für Geburtsschäden beinhalten.
„Das BMG muss endlich schlüssige Konzepte zur Reform der Hebammenausbildung vorlegen“, so die Grünen-Politikerin.
Es sei klar, dass diese Forderungen in der außerklinischen Geburtshilfe niemals umgesetzt werden könnten. In einem Geburtshaus oder bei einer Hausgeburt wird eine Geburt von vornherein ohne die organisatorische oder apparative Möglichkeit eines Notkaiserschnitts von ein bis zwei freiberuflichen Hebammen ohne verfügbares CTG-Gerät begleitet.
Das Lösungskonzept der freiberuflichen Hebammen muss zwingend hinterfragt werden, wenn der in der Theorie noch so ausgefeilte Personalschlüssel und das noch so ausgefeilte Organisationskonzept an den tatsächlichen Gegebenheiten scheitern. Das Problem der Schadensfälle im Bereich der außerklinischen Geburtshilfe, also in Geburtshäusern und bei Hausgeburten, wird dadurch nicht entschärft. Lediglich das Konzept einer verbesserten Hebammenausbildung und in der Folge einer selteneren Verkennung einer fachärztlichen Indikation vor oder während der Geburt könnte zu einer deutlichen Verbesserung beitragen. Dies scheint derzeit der erfolgversprechendste Ansatz zu sein, da so eine eventuell frühere Überweisung der Gebärenden in eine Klinik eher gewährleistet ist und Risikogeburten von vornherein nicht den Weg in die Geburtshäuser finden.
REDAKTION GEBURTSSCHADENSRECHT
Wir sind spezialisiert auf die Bearbeitung von Geburtsschadensfällen.
Mit langjähriger Erfahrung und fundiertem Fachwissen setzen wir uns engagiert für die Rechte von Familien ein, deren Kinder durch Geburtshilfefehler geschädigt wurden. Unsere Expertise umfasst die umfassende rechtliche Beratung, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen und die Begleitung durch komplexe medizinrechtliche Verfahren. Vertrauen Sie auf unsere Kompetenz und Sensibilität in dieser besonders anspruchsvollen Rechtsmaterie.