Heute in SPIEGEL ONLINE: „Es muss erst jemand sterben, bevor sich das System ändert“
Dieser Titel des Beitrags ist sicher gut gemeint, inhaltlich jedoch falsch! Richtigerweise müsste es heißen: „Es sind schon Tausende gestorben und das System hat sich nicht geändert!“
Aufgrund meiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Anwalt für Arzthaftungsrecht stelle ich die Behauptung auf, dass es mehr als 100.000 Patienten sind, die in den letzten Jahren aufgrund des desolaten Gesundheitssystems und der spiralförmig nach unten gehenden Personalausstattung gestorben sind. Die Zahl der Patienten, die aufgrund dieser Situation einen schweren Gesundheitsschaden erlitten haben, liegt um ein Vielfaches höher.
Man wird mir vorwerfen, diese Behauptung sei effektheischend, durch nichts bewiesen. Richtig, beweisen kann ich es nicht, es gibt keine Statistiken und wenn es sie gäbe, würde ich ihnen nicht glauben. Meine Behauptung ist die traurige Wahrheit. Sie gründet sich auf meine berufliche Erfahrung, auf Gespräche mit befreundeten Ärzten, Informationen von Gutachtern und zahlreiche Beispiele im familiären Bereich und im Bekanntenkreis.
Katastrophale Arbeitsbedingungen von Ärzten und Pflegepersonal
In meinem letzten Beitrag „Kranke Krankenhäuser“ habe ich die Situation bereits eingehend kommentiert. Der heutige Artikel in SPIEGEL ONLINE legt durchaus den Finger in die Wunde und beschreibt die Arbeitsbedingungen von Ärzten und Pflegepersonal korrekt. Leider weist er nur auf die Gefährdung hin und unterschlägt die Tatsache, dass sich das Risiko bereits tausendfach verwirklicht hat.
Die Forderung des Marburger Bundes nach mehr Investitionen und mehr Personal ist lobenswert, aber wirkungslos. Der Druck, den die Ärztevertretung ausübt, lässt die Verantwortlichen kalt. Und wenn ich lese, dass ab dem Jahre 2020 für psychiatrische Einrichtungen eine Vorgabe für den Personaleinsatz eingeführt werden soll, dann frage ich mich, warum geschieht dies nicht bereits heute? Patienten in der Psychiatrie sind in meinen Augen die bedauernswertesten vergessenen Geschöpfe hierzulande. Meine Erfahrung als Betreuer für psychisch kranke Menschen liegt zwar schon einige Jahre zurück, sie war jedoch derart erschreckend, dass ich mich wegen massiver Schlafstörungen in ärztliche Behandlung begeben musste. Einzelheiten der Erlebnisse möchte ich Ihnen an dieser Stelle ersparen. Sie können mich jedoch jederzeit gerne persönlich ansprechen, ich werde Ihnen Rede und Antwort stehen.
Die zentrale Frage lautet: Warum setzt dieses Land seinen immensen Reichtum für so viele unnütze Dinge ein und überlässt die Kranken den „Heuschrecken“?
Martin Quirmbach, Experte für Arzthaftungsrecht / Gründungspartner, Namensgeber und seit 2018 Berater der Kanzlei