Schadenersatzansprüche von Kindern mit Geburtsschäden: Ersatz für den Erwerbsschaden
Wenn Kinder bei der Geburt durch einen Fehler des Arztes oder der Hebamme schwere gesundheitliche Schäden erleiden, denken viele zunächst an Schadensersatzansprüche wie Schmerzensgeld und Pflegemehraufwand. Dabei wird oft übersehen, dass auch der Erwerbsschaden eine wichtige Rolle spielt.
Kein Ersatz für Erwerbsschaden in den ersten Lebensjahren
Es liegt auf der Hand, dass ein Kind in den ersten Lebensjahren noch keinen Ersatz für Erwerbsschaden erhält, weil es auch ohne das schädigende Ereignis frühestens mit 16 Jahren eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte. Auch eine Prognose des Erwerbsschadens ist schwierig, da nicht bekannt ist, welche berufliche Entwicklung das Kind genommen hätte.
Beweislast und Beweiserleichterungen für das Kind
Das Kind als Geschädigter trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihm aufgrund des Geburtsschadens ein Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens zusteht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Kind im Bereich des Erwerbsschadens leer ausgeht, da ihm erhebliche Beweiserleichterungen zustehen.
Andernfalls wäre es doppelt benachteiligt, einmal durch den schweren Gesundheitsschaden an sich und zum anderen dadurch, dass es mangels Schulabschluss und Berufseinstieg einen Erwerbsschaden nicht nachweisen kann.
Bundesgerichtshof zur Erwerbsbiografie
Der Bundesgerichtshof hat 1997 klargestellt, dass das Fehlen einer Erwerbsbiographie nicht dazu führt, dass das Kind seinen Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens verliert oder ein solcher Anspruch nicht entsteht. Etwaige Unwägbarkeiten bei der Erstellung der Prognose gehen zu Lasten des Schädigers.
Prognose der beruflichen Entwicklung
Zugunsten des Kindes ist davon auszugehen, dass es eine zumindest durchschnittliche schulische und berufliche Laufbahn eingeschlagen hätte. Auf dieser Grundlage ist dann eine Prognose für den weiteren beruflichen Werdegang zu erstellen und auf dieser Grundlage der Erwerbsschaden zu schätzen, so der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011.
Es ist also eine Prognose anzustellen, inwieweit das Kind den Beruf, den es ohne die Schädigung voraussichtlich ergriffen hätte, auch tatsächlich hätte ausüben und damit ein entsprechendes Einkommen erzielen können.
Anforderungen an den Nachweis des Erwerbsschadens
Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Kindes kann folgende Faustformel festgehalten werden: Je jünger das Kind, desto geringere Anforderungen sind an den Nachweis des schulischen bzw. beruflichen Werdegangs und damit des Erwerbsschadens zu stellen.
Wird z.B. ein Kind, das bereits die Schule besucht, durch einen Unfall geschädigt, so lassen sich aus den Schulnoten und auch aus dem sonstigen Entwicklungsstand des Kindes Rückschlüsse darauf ziehen, welchen schulischen und beruflichen Werdegang das Kind voraussichtlich eingeschlagen hätte. Fehlen diese Anknüpfungspunkte, wie dies bei geburtsgeschädigten Kindern der Fall ist, wird auf die Erwerbsbiografie der Eltern oder der Geschwister zurückgegriffen.
Zur Ermittlung des durchschnittlichen monatlichen Arbeitsentgelts werden z.B. auch Statistiken oder Tarifverträge, das Beamtenrecht o.ä. herangezogen. Gehaltssteigerungen, z.B. aufgrund von Dienstjahren oder Betriebszugehörigkeit, aber auch aufgrund von zu erwartenden Beförderungen, sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Durchschnittsverdienst als Hilfsgröße
Fehlen solche Anknüpfungstatsachen jedoch völlig, kann hilfsweise auf den Durchschnittsverdienst in Deutschland zurückgegriffen werden. Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar 2013 wurde diskutiert, bei Kindern, die durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurden, ein monatliches Nettoarbeitsentgelt von 1.500 EUR als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Abgesehen von der Art der Schädigung ist das Schmerzensgeld für geburts- und unfallgeschädigte Kinder sehr ähnlich. Es liegt daher nahe, von 1.500 EUR auszugehen, wenn die sonstigen Anknüpfungstatsachen zu dürftig sind.
Bedeutung des Nachweises eines Geburtsschadens
Bei Verdacht auf einen Geburtsschaden wird – zu Recht – viel Mühe und Zeit darauf verwendet, einen Behandlungsfehler nachzuweisen und dann herauszufinden, welche Pflege dieses besondere Kind benötigt, um sich möglichst optimal zu entwickeln. Es darf nie vergessen werden, auch wenn das Kind noch sehr jung ist, dass es für die Zukunft auch Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens hat. Das Fehlen von Anknüpfungstatsachen darf dem Kind nicht zum Nachteil gereichen.
Über diese Hürde helfen die Beweiserleichterungen, die es auch behinderten Kindern ermöglichen, ihren Erwerbsschadensanspruch durchzusetzen.
REDAKTION GEBURTSSCHADENSRECHT
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