Diagnosefehler oder unterlassene Befunderhebung?
Falsche Diagnose oder unterlassene Befunderhebung: Diese Frage stellt sich immer wieder, wenn der Vorwurf einer fehlerhaften Behandlung erhoben wird. Die Unterscheidung zwischen Diagnosefehler und unterlassener Befunderhebung entscheidet oft darüber, ob ein Patient seine Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche durchsetzen kann oder nicht.
Diagnosefehler
Unter einem Diagnosefehler versteht man die Fehlinterpretation von Befunden (z. B. von körperlichen oder apparativen Untersuchungsergebnissen). Unterlassene Befunderhebung bedeutet, dass der Arzt gebotene Untersuchungen unterlassen hat.
Eine korrekte Diagnose ist das Herzstück jeder medizinischen Behandlung. Sie ermöglicht es Ärzten, die richtige Behandlung einzuleiten und somit das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erzielen. Eine Fehldiagnose oder unterlassene Befunderhebung kann hingegen gravierende Folgen haben, sowohl für die Gesundheit des Patienten als auch für das Vertrauen in das Gesundheitssystem.
Eine Fehldiagnose wird von der Rechtsprechung nur zurückhaltend als Behandlungsfehler bewertet, z.B. wenn die Fehldiagnose auf der Unterlassung elementarer Befunderhebungen beruht. Gerade deshalb ist die Abgrenzung so wichtig.
Es stellt sich also die Frage, ob der Arzt die vorliegenden Befunde falsch interpretiert hat oder ob er noch nicht alle für eine Diagnose notwendigen Befunde erhoben hat.
In dem Beitrag Diagnosefehler: Auch Ärzte dürfen irren haben wir uns bereits mit dem Thema Diagnosefehler befasst.
Befunderhebungsfehler
Bei Diagnosefehlern ist die Rechtsprechung zurückhaltend, da es für den Arzt mitunter schwierig ist, aufgrund der durchgeführten Untersuchungen und der Schilderungen des Patienten eine Diagnose zu stellen. Bei der Frage, ob der Arzt Befunderhebungen unterlassen hat, wird zugunsten des Patienten ein wesentlich strengerer Maßstab angelegt.
Unterlässt der Arzt zweifelsfrei gebotene Befunderhebungen und ist dies nicht nachvollziehbar, geht die Rechtsprechung sogar von einem so genannten groben Behandlungsfehler aus. Dieser führt zu Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten im Sinne einer Beweislastumkehr.
Auch wenn der Arzt offensichtlich gebotene und auf der Hand liegende Kontrollbefunde unterlässt und dadurch die nach einhelliger medizinischer Auffassung gebotene Therapie versäumt, wird dies von der Rechtsprechung als grober Behandlungsfehler angesehen (vgl. BGH NJW 1989, 2332; 1995, 778).
Beweiserleichterung und Beweislastumkehr
Da aber nicht jede unterlassene Befunderhebung einen groben Behandlungsfehler darstellt, ist es Aufgabe des Anwalts zu prüfen, ob zumindest ein einfacher Befunderhebungsfehler vorliegt. Denn auch der einfache Befunderhebungsfehler führt zur Beweislastumkehr, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Arzt muss es unterlassen haben, einen Diagnose- oder Kontrollbefund zu erheben oder zu sichern.
- Es muss eine mehr als 50-prozentige Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass bei ordnungsgemäßer Befunderhebung ein positives Befundergebnis erzielt worden wäre.
- Die Nichtreaktion auf diesen (hypothetisch) erhobenen Befund oder dessen Verkennung muss einen groben Behandlungsfehler darstellen.
Die genaue Prüfung des medizinischen Sachverhalts durch den Anwalt ist gerade deshalb so wichtig, um den häufig nicht als Behandlungsfehler bewerteten Diagnosefehler vom Befunderhebungsfehler zu trennen. Letzterer verhilft dem Patienten nämlich häufig zu einer Beweiserleichterung im Sinne einer Beweislastumkehr.
Grundsätzlich muss der Patient bei jedem Behandlungsfehlervorwurf mindestens drei Schadensvoraussetzungen beweisen:
- den Behandlungsfehler,
- den Gesundheitsschaden und
- den Umstand, dass der Gesundheitsschaden durch den Behandlungsfehler (mit-) verursacht worden ist.
Auf besondere Beweisschwierigkeiten stößt er, wenn der Fehler auf einer unterlassenen Befunderhebung beruht. Denn dann steht nicht fest, welches Ergebnis eine ordnungsgemäße Befunderhebung erbracht hätte und welche medizinischen/gesundheitlichen Konsequenzen sich daraus ergeben hätten. Wegen dieser Beweisschwierigkeiten werden dem Patienten bei Befunderhebungsfehlern häufig Beweiserleichterungen gewährt. Beweiserleichterungen und Beweisschwierigkeiten sind zwei Seiten einer Medaille.
Fazit:
Die Unterscheidung zwischen Diagnosefehler und Befunderhebungsfehler ist mitentscheidend dafür, ob ein Patient seine Ansprüche durchsetzen kann oder nicht. Betroffene Patienten sollten grundsätzlich nicht ohne kompetenten Rechtsbeistand mit einem Arzt oder einer Klinik verhandeln. Meist ist es fallentscheidend, einen Fachanwalt für Medizinrecht mit der Interessenvertretung zu beauftragen. Er verfügt über die notwendigen juristischen und auch medizinischen Kenntnisse. Er klärt über alle Möglichkeiten auf und kann das für den Mandanten optimale Ergebnis erzielen.
REDAKTION ARZTHAFTUNGS- UND MEDIZINRECHT
Wir sind spezialisiert auf die Vertretung von Patienten bei Behandlungsfehlern. Mit umfassendem Fachwissen und langjähriger Erfahrung setzen wir uns konsequent für die Rechte von Patienten ein, die durch Behandlungsfehler geschädigt wurden. Unser Leistungsspektrum umfasst die umfassende rechtliche Beratung, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen sowie die Begleitung in den oftmals komplexen medizinrechtlichen Verfahren. Vertrauen Sie auf unsere Kompetenz und unser Engagement in diesem anspruchsvollen Rechtsgebiet.