Behandlungsfehler – kritische Stellungnahme zu einem Artikel in SpiegelOnline
Am 6.5.2014 berichtete SpiegelOnline über die aktuelle Behandlungsfehler-Statistik des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK): „Verdachtsfälle auf ärztliche Behandlungsfehler nehmen zu“.
Die Informationen und Hinweise in diesem Beitrag sind für den geschädigten Patienten nicht sehr hilfreich und teilweise auch objektiv falsch.
Der Behandlungsfehler ist in dem Artikel zwar richtig dargestellt, allerdings unvollständig und vor allem ist die Schlussfolgerung falsch, dass ein Patient Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld habe, wenn der Arzt ihn falsch behandelt. Richtig ist, dass objektiv ein Fehler vorliegen muss, d.h., ein Verstoß gegen anerkannte Regeln der ärztlichen Kunst. Außerdem muss es zu einem Gesundheitsschaden auf Patientenseite gekommen sein und das Wichtigste ist: Zwischen dem Fehler und dem Schaden muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Hieran scheitern die meisten Arzthaftungsansprüche.
Beweislastumkehr – positiv für Patienten
Dringend geboten wäre an dieser Stelle der Hinweis auf die „Umkehr der Beweislast“ gewesen. Grundsätzlich muss der Patient beweisen, dass der Fehler zu dem Schaden geführt hat. Dieser Beweis ist in den meisten Fällen nicht zu führen, so dass der Patient leer ausgeht. Kommt es allerdings zu einer Umkehr der Beweislast, müsste der Arzt beweisen, dass auch bei richtiger Vorgehensweise der Patient den gleichen Schaden erlitten hätte. Ein Beweis, den der Arzt nicht führen kann. Wird also ein grober Behandlungsfehler oder aber eine unterlassene Befunderhebung festgestellt, überwiegen die Erfolgsaussichten des Patienten.
Auch die Ratschläge, an wen der Patient sich wenden soll, sind nicht sehr hilfreich, denn es macht erfahrungsgemäß wenig Sinn, ein Gespräch mit dem Arzt oder dessen Vorgesetzten zu suchen, da diese von ihren Versicherern gehalten sind, keinerlei Auskünfte zu geben und jede Verantwortung abzulehnen. Leider ist es auch so, dass Ärzte, denen Fehler unterlaufen, Probleme bekommen, sei es mit den vorgesetzten Ärzten oder der Klinikleitung, sei es mit den Haftpflichtversicherern, die die Prämien dramatisch erhöhen. Aus diesen Gründen ist das Gespräch mit dem Arzt nicht hilfreich. Ganz im Gegenteil, denn in manchen Fällen wird versucht, die betroffenen Patienten mit einem Almosen abzuspeisen.
Objektive Begutachtung nicht die Regel
Auch der Rat, Ärzte- oder Zahnärztekammern einzuschalten, ist bedenklich. Die Erfahrung zeigt, dass eine objektive Begutachtung nicht die Regel ist, sondern dass die Gutachter in vielen Fällen versuchen, den betroffenen Ärzte-Kollegen beizuspringen. Außerdem dauern diese Verfahren nicht selten bis zu drei Jahren und in dieser Zeit leidet der betroffene Patient oft auch unter finanziellen Problemen infolge von Erwerbsunfähigkeit usw. – von der psychischen Belastung einmal ganz abgesehen.
Der Hinweis, dass die Krankenkassen ihre Mitglieder bei dem Verdacht eines eventuellen Behandlungsfehlers unterstützen, ist zwar richtig, aber auch hier ist hinter die Qualität der Gutachten ein großes Fragezeichen zu setzen, da sie sehr schwankend ist. Es gibt durchaus exzellente MDK-Gutachten, auf der anderen Seite aber auch sehr schlechte, die den Patienten dazu veranlassen, seine Ansprüche nicht zu verfolgen.
Berechtigte Zweifel bestehen daran, Verbraucherzentralen oder Selbsthilfegruppen einzuschalten. Bei dem Versuch, die kostenlose Patientenberatung zu erreichen, landet der Anrufer häufig in endlosen Warteschleifen und eine konkrete juristische Hilfe kann er hier sowieso nicht erwarten.
Spezialisierter Anwalt ist entscheidend für den Erfolg
Der letzte Hinweis, vielleicht doch einen Rechtsanwalt aufzusuchen, ist völlig korrekt. Jedoch dient der zweite Satz, der Patient habe die Anwaltskosten zu tragen dazu, den Patient abzuschrecken. Die Aussage ist zudem schlicht falsch. Ist der Patient rechtsschutzversichert, trägt die Rechtsschutz-Versicherung die Kosten. Hat er keine Rechtsschutz-Versicherung, kann er in aller Regel Prozesskostenhilfe beantragen. Obsiegt er in dem Verfahren, hat die Gegenseite die Kosten zu übernehmen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren, das den betroffenen Patienten vom Risiko der Kostenübernahme befreit, da der Anwalt nur im Erfolgsfall seine Gebühren erhält.
Ich beantworte täglich ca. 20 Anfragen von betroffenen Patienten, gebe konkrete Ratschläge und kläre die Patienten über ihre Möglichkeiten auf. Haben sie einen Fragebogen ausgefüllt, gehe ich auch auf die Höhe der möglichen Schadenersatzforderungen ein. Diese Beratung ist kostenfrei, da wir der Ansicht sind, dass wir einen Anfrager zunächst einmal über seine Möglichkeiten informieren müssen, bevor er eine Entscheidung treffen kann.
Es ist fallentscheidend, einen spezialisierten Anwalt mit der Wahrnehmung der Interessen zu beauftragen. Er verfügt über die notwendigen juristischen und auch medizinischen Kenntnisse. Er klärt über alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf und kann das für den Mandanten optimale Ergebnis erreichen.
Martin Quirmbach, Experte für Arzthaftungsrecht / Gründungspartner, Namensgeber und seit 2018 Berater der Kanzlei