Anschnallpflicht verletzt – Folgen für den Schadensersatz?
Immer wieder hören wir von den KFZ-Versicherungen, dass die Schadensersatzansprüche zu kürzen seien, wenn der Geschädigte bei einem Verkehrsunfall nicht angeschnallt war. Hier wollen die Versicherer sogar Kürzungen bis zu 50% vornehmen. Welcher Gedanke steckt dahinter?
Möglicherweise denken die Versicherer hier an ein Mitverschulden des Geschädigten, das nach § 254 Abs. 1 BGB einen vorwerfbaren Verstoß gegen dessen eigene Interessen voraussetzt. Den Geschädigten trifft demnach ein Mitverschulden, wenn „er die Sorgfalt vernachlässigt hat, die ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigener Schäden anzuwenden pflegt“ (BGH VersR 1979, 532, 533).
Ein Mitverschulden setzt jedoch nicht voraus, dass der Geschädigte gegen gesetzliche Verhaltensvorschriften verstößt.
Gurtmuffel haften nicht zwingend mit
Das Oberlandesgericht München hat in seinem Urteil vom 07.06.2013, Az. 10 U 1931/12 die klaren Anforderungen des Bundesgerichtshofs aus seiner Entscheidung vom 20.03.1979 für anspruchsmindernde Mithaftung aufgegriffen und bestätigt:
„Hinsichtlich des Mitverschuldenseinwands wegen der Nichtanlegung des Sicherheitsgurts gilt folgendes: Den Insassen eines Pkw, der während der Fahrt den Sicherheitsgurt nicht angelegt hat, trifft im Falle einer Verletzung infolge eines Verkehrsunfalls nur dann einen anspruchmindernde Mithaftung, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären, wenn der Verletzte zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre.“
Wer also bei einem Verkehrsunfall nicht angeschnallt ist, den trifft bei Verletzungen nicht automatisch ein anspruchsminderndes Mitverschulden. Das liegt nur dann vor, wenn der Sicherheitsgurt die Verletzungen voraussichtlich verhindert oder verringert hätte.
Ist ein Geschädigter nicht anwaltlich vertreten, sollte er sich an diesem Punkt nicht aufs Glatteis führen lassen.