BGH-Entscheidung zur Auslegung des Begriffs Lähmung im ärztlichen Aufklärungsgespräch
Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil vom 11.10.2016 (Az. – VI ZR 462/15) mit der Frage befasst, was im Rahmen eines ärztlichen Aufklärungsgesprächs unter dem Begriff der Lähmung zu verstehen ist.
Gestritten wurde darüber, ob ein Patient im Aufklärungsgespräch vor einer Hüftoperation den Begriff Lähmung so verstehen durfte, dass damit nur eine vorübergehende, nicht aber eine dauerhafte Lähmung gemeint war.
In dem Fall ging es um einen Lehrer, der als Folge der Implantation einer Hüftprothese im Juni 2010 eine Nervenverletzung am operierten Bein erlitt. Er kann seitdem nicht mehr normal stehen oder gehen. Der Kläger behauptet, die Nervenverletzung sei durch Behandlungsfehler während und unmittelbar nach der Operation verursacht worden. Zudem sei er vor der Operation über das Risiko einer dauerhaften Lähmung nicht aufgeklärt worden. Zwar sei in dem durchgeführten Aufklärungsgespräch der Begriff der „Lähmung“ gefallen, was er als einen vorübergehenden Zustand auffasste. Auf die Gefahr einer dauerhaften Lähmung sei er nicht explizit hingewiesen worden.
Das Berufungsgericht folgte dieser Auffassung und verwies darauf, dass der Kläger auf das Risiko einer dauerhaften Lähmung hätte hingewiesen werden müssen. Dieser Verpflichtung seien die Beklagten nicht nachgekommen. Die aufklärende Ärztin habe nicht ausdrücklich von einer dauerhaften Lähmung gesprochen, auch reiche der schriftliche Hinweis im Aufklärungsbogen nicht aus.
Kein Anspruch auf Schmerzensgeld
Dieser Auffassung widerspricht jedoch der Bundesgerichtshof und verneint den Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld. Anders als das Berufungsgericht geht der Bundesgerichtshof von einer ordnungsgemäßen Aufklärung aus. Nach seiner Ansicht erfasst der Begriff der „Lähmung“ auch die dauerhafte Lähmung. Ein gesonderter Hinweis sei daher nicht notwendig. Der Begriff sei in diesem Fall auch nicht so zu verstehen, dass er nur vorübergehende Lähmungszustände erfasse.
Unterliege ein Patient einer solchen Fehlvorstellung, muss der Arzt nur dann klarstellend darauf reagieren, wenn für ihn erkennbar ist, dass der Patient verwendete Begriffen falsch interpretiert.
Der Bundesgerichtshof hat den vorliegenden Fall an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Unser Tipp
Diese Entscheidung des BGH zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, in einem Aufklärungsgespräch alle offenen Fragen und Unsicherheiten tatsächlich zur Sprache zu bringen und auch dokumentieren zu lassen. Hilfreich kann es hierbei sein, sich vor oder nach dem Aufklärungsgespräch nochmals über den Eingriff z.B. im Internet oder bei einem anderen Arzt zu informieren. Die Einwilligung sollte erst dann unterschrieben werden, wenn alle offenen Punkte geklärt wurden. Empfehlenswert ist auch, sich von einer Vertrauensperson zu dem Gespräch begleiten zu lassen.