Ärztliche Aufklärung – die Selbstbestimmungs- bzw. Eingriffsaufklärung
Immer wieder hören wir von unseren Mandanten den Satz, der sich auf das Aufklärungsgespräch bezieht: „Das hat mir der Arzt aber vorher nicht gesagt.“
Es gibt zwei Arten von Aufklärungsgesprächen: Zum einen die Selbstbestimmungs- bzw. Eingriffsaufklärung, sozusagen das „Kerngespräch“, und zum anderen die Sicherungs- bzw. therapeutische Aufklärung.
Erstere zielt ab auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und soll es ihm ermöglichen, darüber zu entscheiden, ob er sich einer bestimmten Behandlung unterziehen möchte oder nicht. Dabei ist es Aufgabe des Arztes, den Patienten in die Lage zu versetzen, die Diagnose, den Umfang und Ablauf sowie die Tragweite der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen zu verstehen, damit er sich für oder gegen die Behandlung entscheiden kann.
Der Zweck der therapeutischen Aufklärung ist u.a. die Sicherung des Heilungserfolgs. Sie betrifft alle ärztlichen Anweisungen, Empfehlungen und Hinweise an den Patienten im Hinblick auf seine, für den Heilungserfolg notwendige, Mitwirkung.
Die Selbstbestimmungs- bzw. Eingriffsaufklärung
Jeder Patient hat das Recht, selbst darüber zu entscheiden, ob an seinem Körper ein operativer Eingriff durchgeführt werden soll oder nicht. Damit er diese Entscheidung treffen kann, muss der Arzt ihn umfassend über die Diagnose, die Art, Dringlichkeit und Durchführung des Eingriffs sowie die möglichen Risiken und Komplikationen informieren. Der Patient muss dabei nicht exakt oder in allen möglichen Erscheinungsformen über alle denkbaren medizinischen Risiken aufgeklärt werden. Vielmehr muss er im Großen und Ganzen aufgeklärt werden, d.h. ihm muss ein allgemeines Bild von der Schwere des Eingriffs und den Risiken in seinem konkreten Fall vermittelt werden. Dabei darf der Arzt natürlich nichts verharmlosen.
Der Patient muss vor einem Eingriff so früh wie möglich aufgeklärt werden. Dabei gilt: Je schwieriger und risikoreicher der Eingriff, desto frühzeitiger muss die Aufklärung erfolgen. Bei Notfalloperationen, die zwingend und dringend durchgeführt werden müssen, entfällt die Aufklärungspflicht.
Arzt muss ordnungsgemäßes Aufklärungsgespräch beweisen
Den Beweis für ein ordnungsgemäßes Aufklärungsgespräch muss der Arzt erbringen. Dabei genügt es nicht, nur den vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsbogen vorzulegen, denn die Unterschrift des Patienten ist lediglich ein Indiz dafür, dass das Aufklärungsgespräch überhaupt geführt wurde. Die Unterschrift beweist noch nicht, dass der Patient den Aufklärungsbogen auch gelesen und verstanden hat, geschweige denn, dass der Inhalt mit ihm erörtert wurde. Die reine Aushändigung und Unterzeichnung von Formularen ersetzen nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch.
Der tatsächliche Ablauf des Aufklärungsgesprächs kann nur nach Anhörung des Patienten und gerichtlicher Würdigung festgestellt werden. Dies wird dem Patienten jedoch nicht leicht gemacht, denn die Rechtsprechung gibt dem Arzt erhebliche Beweiserleichterungen an die Hand. Er muss sich weder an den Patienten noch an das konkrete Aufklärungsgespräch erinnern können. Es genügt, wenn er den in vergleichbaren Fällen üblicherweise besprochenen Aufklärungsinhalt darlegt.
Im Zweifel für den Arzt
Wenn seine Darstellung in sich schlüssig ist, folgt das Gericht im Zweifel den Angaben des Arztes. Früher konnten Ärzte diesen sogenannten „Immer-so-Vortrag“ mit seinen vielen Beweiserleichterungen nur dann nutzen, wenn ein vom Patienten unterzeichneter Aufklärungsbogen vorlag. Der BGH hat in einem Urteil vom 28.01.2014 (Az: VI ZR 143/13) diese Regelung aufgeweicht und klargestellt, dass der „Immer-so-Vortrag“ selbst dann gilt, wenn keine schriftlichen Aufzeichnungen über ein Aufklärungsgespräch existieren. Das Urteil, so die Begründung, berücksichtige die Möglichkeit, dass Patienten die bisherige Beweislastverteilung missbrauchen könnten. Es sei verständlich, dass sich der Arzt angesichts der Vielzahl der Gespräche nicht an jedes Detail erinnern könne. Dies zu verlangen, sei überzogen. Denn auch für den Patienten gibt es die verschiedensten Gründe, sich im Nachhinein nicht mehr richtig an die Gespräche zu erinnern.
Ein Urteil des Kammergerichts Berlin vom 14.12.2014 untermauert das hier Gesagte: Bei Anhaltspunkten für gewissenhafte Aufklärung ist im Zweifel von der Durchführung einer Risikoaufklärung auszugehen. Und: An ordnungsgemäße Risikoaufklärung sind keine ungerechten und übertriebenen Anforderungen zu stellen. Im Zweifel ist dem Arzt zu glauben, wenn es einen Anhaltspunkt für die Aufklärung gibt. Der Arzt soll auch ohne Dokumentation beweisen dürfen, dass er aufgeklärt hat.
Nachweis von Aufklärungsfehlern ist schwierig
Es ist durch diese Urteile extrem schwierig geworden, Aufklärungsfehler zu beweisen. Gelingt das dennoch und nimmt das Gericht eine fehlerhafte Aufklärung an, so wird sich der Arzt erfahrungsgemäß darauf berufen, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte, beispielsweise weil die Ablehnung der Behandlung medizinisch unvernünftig gewesen wäre (hypothetische Einwilligung). Diesen Einwand kann der Patient entkräften, in dem er dem Gericht plausibel vermittelt, er habe sich in diesem Fall in einem echten Entscheidungskonflikt befunden. Dabei dürfen an die Darlegungspflicht des Patienten keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Eine anderweitige Entscheidung muss er nicht glaubhaft machen und es kommt auch nicht darauf an, wie sich ein „vernünftiger Patient“ verhalten hätte.
Steht ein Aufklärungsfehler fest, so muss der Patient letztlich beweisen, dass sein gesundheitlicher Schaden auf der Behandlung beruht, die wegen der fehlerhaften Aufklärung rechtswidrig gewesen ist.
Kann der Nachweis geführt werden, haftet der Arzt für einen Aufklärungsfehler selbst dann, wenn der Eingriff an sich völlig fehlerfrei und fachgerecht ausgeführt wurde, da er ohne eine vorherige, ordnungsgemäße Aufklärung den Eingriff nicht hätte durchführen dürfen.