„Kann ich den eigentlich verklagen?“ Die Rolle von Strafrecht und Zivilrecht nach einem Unfall oder Behandlungsfehler
„Ich will, dass derjenige, der mir das angetan hat, verklagt wird und seine gerechte Strafe bekommt“, ist ein Satz, der uns in unserer juristischen Praxis sehr häufig begegnet. Gemeint ist damit der Unfallverursacher oder der Arzt, der dem Mandanten einen großen körperlichen Schaden zugefügt hat. Meist raten wir von einem solchen Schritt ab. Denn nach einem Strafprozess mag der Geschädigte zwar die Genugtuung haben, dass der Verursacher für seine Tat bestraft wurde, doch das eigentlich Wichtige ist noch offen: die finanzielle Wiedergutmachung, der Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, der sich zivilrechtlich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ableitet.
Was passiert im strafrechtlichen Verfahren?
Im strafrechtlichen Verfahren werden Verstöße gegen das Strafgesetzbuch (StGB) nach den Richtlinien der Strafprozessordnung (StPO) verhandelt. Hat ein Staatsanwalt nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen Anklage erhoben, entscheidet ein Gericht nach Anhörung beider Parteien und deren Zeugen, ob der Angeklagte schuldig und folglich zu verurteilen ist. Dabei ist der Ankläger immer die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch einen Staatsanwalt. Der Angeklagte wird in der Regel durch seinen Verteidiger vertreten. Es gibt Straftaten, die besonders schwer wiegen, so dass das öffentliche Interesse an einer Bestrafung sehr groß ist. In diesen Fällen, so die gesetzliche Vorschrift, wird die Staatsanwaltschaft auch ohne Antrag tätig. Bei kleineren Straftaten bleibt es dem Geschädigten überlassen, ob er einen Strafantrag stellen möchte oder nicht. Die Staatsanwaltschaft wird erst dann tätig, wenn ein Antrag form- und fristgerecht gestellt wurde.
Kommt es zu einer Verurteilung, hat der Geschädigte die Genugtuung, dass der Verursacher für seine Tat bestraft wird. Der Strafrichter stellt allerdings nicht die finanzielle Wiedergutmachung in den Vordergrund, sondern er urteilt über die individuelle Schuld des Verursachers.
Das zivilrechtliche Verfahren
Der Geschädigte ist in erster Linie daran interessiert, dass sein Schaden angemessen ersetzt wird. Erkennt der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung die Forderung nicht oder nicht in der vollen Höhe an, ist der Gang vor Gericht unausweichlich. Da das Recht des Schadensersatzes und des Schmerzensgeldes in den Bereich des Zivilrechts/Bürgerlichen Rechts fällt, findet diese Auseinandersetzung von einem Zivilgericht statt.
Solange allerdings ein Strafverfahren nicht beendet ist, verweigert die hinter dem Unfallverursacher bzw. dem Arzt stehende Haftpflichtversicherung die Regulierung des Schadens. Zudem kann ein zivilgerichtliches Verfahren nicht vor der Beendigung des Strafverfahrens beginnen.
Wird der Schädiger im Strafverfahren freigesprochen, bringt das die Schadensersatzverhandlungen zwar nicht automatisch zu Fall, erschwert aber die Durchsetzung erheblich. Natürlich will kein Arzt seinem Patienten schaden, vielmehr tut er sein Bestes, um ihn zu heilen. Und dennoch passieren Fehler – fast ausnahmslos fahrlässig. Weder Staatsanwälte noch Richter verfolgen gerne Ärzte. Das ist mit ein Grund, warum Strafverfahren gegen Ärzte häufig ohne Verurteilung enden.
Die außergerichtliche Einigung
Von einer Strafanzeige raten wir aus all diesen Gründen stets ab, es sei denn man könnte von einem vorsätzlichen Fehlverhalten ausgehen. Für uns steht der geschädigte Mandant an erster Stelle. Er benötigt in den meisten Fällen dringend Geld, um sein Leben nach dem Schadensereignis zumindest in finanzieller Hinsicht so gestalten zu können, wie er es ohne das Schadensereignis gekonnt hätte.
Da eine zivilrechtliche Auseinandersetzung sich oft über Jahre hinzieht, ist es für den Geschädigten nicht hilfreich, den Zeitraum bis zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld durch eine Strafanzeige noch weiter zu verlängern. Grundsätzlich sollte jeder Gang vor Gericht vermieden und eine möglichst schnelle außergerichtliche Einigung bevorzugt werden, nicht zuletzt, um dem geschädigten Mandanten die Risiken und Strapazen, die mit einem Prozess verbunden sind, zu ersparen.