Über die Tücken der Schweigepflichtentbindungserklärung
Sie werden bei einem unverschuldeten Unfall so schwer verletzt, dass Sie nie wieder Ihren Beruf ausüben können. Zudem sind Sie bis an Ihr Lebensende auf fremde Hilfe angewiesen, um Ihren Alltag zu meistern. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers nimmt Kontakt mit Ihnen auf mit der Bitte, eine Schweigepflichtentbindungserklärung zu unterschreiben. Erst dann könne die Versicherung die Bearbeitung aufnehmen. Warum sie eine Schweigepflichtentbindungserklärung nicht einfach unterschreiben sollten und warum es ratsam ist, schnellstmöglich einen auf Personenschäden spezialisierten Rechtsanwalt hinzuziehen, erläutert der folgende Beitrag.
Ärztliche Schweigepflichtentbindungserklärung – was ist das?
Der Arzt und das behandelnde Personal in seinem Umfeld (Arzthelfer/in, Krankenschwester, Gesundheits- und Krankenpfleger, Labormitarbeiter, Altenpfleger, Mitarbeiter des Rettungsdienstes, sämtliche Auszubildende der Ärzte und der Krankenhäuser etc.) unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Das bedeutet, sie dürfen keine Informationen über den Patienten und Daten seiner medizinischen Behandlungen unbefugt an Dritte weitergeben. Sinn und Zweck der Schweigepflicht ist es, die Privatsphäre des Patienten, der sich einem Arzt anvertraut hat, zu schützen. Die Schweigepflicht schützt somit das Recht des Patienten auf informationelle Selbstbestimmung.
Der Arzt darf Informationen an Dritte, z.B. Haftpflichtversicherer, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Patienten weiterleiten. Die schriftliche Erlaubnis des Patienten ist die sogenannte ärztliche Schweigepflichtentbindungserklärung.
Muss ich eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschreiben?
Grundsätzlich sind Sie zur Mitwirkung an der Aufklärung der Unfallfolgen verpflichtet. Sie sind verpflichtet, dem Haftpflichtversicherer die Prüfung des Schadenfalls zu ermöglichen. Dem Versicherer müssen also auch medizinische Unterlagen zugänglich gemacht werden, die über die Unfallschädigung Auskunft geben. Das geht jedoch nur, wenn eine ärztliche Schweigepflichtentbindungserklärung erteilt wird.
In der Regel hat jede Versicherungsgesellschaft ihren eigenen Vordruck einer solchen Erklärung. Diesen Vordruck sollten Sie auf keinen Fall ungeprüft unterschreiben. Denn in den letzten Jahren haben die Haftpflichtversicherer den Inhalt der Schweigepflichtentbindungserklärungen mehr und mehr zum Nachteil der Geschädigten erweitert. Z.B. wird pauschal die Auflistung aller behandelnden Ärzte gefordert. Oder es wird eine Erlaubnis eingeholt, die es dem Haftpflichtversicherer ermöglicht, die Gesundheitsdaten zur Prüfung an Dritte weiterzugeben. Mit Hilfe dieser weitreichenden Erklärungen ist grundsätzlich eine komplette Ausforschung des Unfallopfers möglich. In Einzelfällen gehen die vorgelegten Schweigepflichtentbindungserklärungen sogar so weit, dass die gewonnen Daten auch nach Beendigung des Falles gespeichert und anderweitig verwendet werden dürfen.
Sollte die Schweigepflichtentbindungserklärung solche Klauseln enthalten, sind sie in jedem Fall zu streichen und nur auf das absolut Notwendigste zu begrenzen, denn Schweigepflichtentbindungserklärungen müssen auf ein Minimum beschränkt werden. Wird eine solche Begrenzung vorgenommen, kommt es immer wieder vor, dass Versicherer das nicht akzeptieren. Sie machen die Bearbeitung und damit auch die Regulierung des Falles von der Erteilung einer vollständigen Schweigepflichtentbindungserklärung abhängig.
Zur Frage der Weitergabe der Gesundheitsdaten an Dritte hat das Landgericht Essen bereits im August 2018 entschieden (Beschluss vom 08.08.2018/ Az.: 2 O 88/18), dass ein Unfallopfer nicht dazu verpflichtet ist, es dem Haftpflichtversicherer zu ermöglichen, seine Gesundheitsdaten an Dritte zur Prüfung weiterzugeben. Wird die Einwilligung zur Datenweitergabe an Dritte nicht unterzeichnet, darf das für den Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Die Prüffähigkeit des Falles war durch die eingereichten Unterlagen völlig ausreichend, so das Landgericht
Fazit
Sie sind nach einem Unfall grundsätzlich verpflichtet, die gegnerische Haftpflichtversicherung bei der Prüfung des Schadensfalles zu unterstützen. Hierfür kann es notwendig sein, eine Schweigepflichtentbindungserklärung zu unterzeichnen. Vor der Unterzeichnung sollten Sie die Erklärung jedoch genauestens überprüfen.