Patientenrechtegesetz – keine Hilfe für die Patienten?
In der Sendung „Fakt“ vom 24. Februar 2014 wurde das am 26.02.2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz (PRG) scharf kritisiert, weil es den geschädigten Patienten in Wirklichkeit nicht helfe. Statt eine generelle Beweislastumkehr zu Gunsten der betroffenen Patienten festzuschreiben, habe man sich dafür entschieden, eine Beweislastumkehr nur unter bestimmten Voraussetzungen anzunehmen, z. B. bei einem groben Behandlungsfehler oder einer unterlassenen Befunderhebung.
Beweislast und Beweislastumkehr
Der Patient muss also nach wie vor grundsätzlich beweisen, dass der Arzt einen Fehler begangen hat, der zu einem Schaden auf Patientenseite führte. Erst wenn der Fehler als grob bezeichnet werden muss oder der Arzt dringend gebotene Untersuchungen unterlassen hat, dreht sich die Beweislast um. Dann nämlich muss der Arzt beweisen, dass der Patient auch bei richtiger Vorgehensweise, d. h. rechtzeitiger Diagnose und korrekter Therapie den gleichen Schaden erlitten hätte.
Natürlich ist es immer leicht, ein Gesetz zu kritisieren, und in der Tat werden viele Gesetze mit heißer Nadel gestrickt. Auch das Patientenrechtegesetz scheint etwas übereilt zusammengestrickt. Vieles hätte noch deutlicher und konsequenter geregelt werden können. Auch hätte man näher auf die in vielen Gesetzen verstreuten Vorschriften, die den Patienten betreffen, eingehen und sie zusammenführen können.
Das sage ich als Anwalt, der ausschließlich geschädigte Patienten vertritt. Auch ich hätte mir für die Patienten eine generelle Beweislastumkehr gewünscht, weil das die Situation unserer Mandanten und auch unsere Arbeit erheblich verbessert hätte.
Allerdings darf man die Augen nicht vor der Realität verschließen: Generell gilt im Schadensrecht, dass der Geschädigte beweisen muss, wer ihm wie einen Schaden zugefügt hat. Das Gesetz gewährt einige wenige Ausnahmen. In der Rechtsprechung hat sich der BGH (Bundesgerichtshof) schon seit Jahrzehnten teilweise auf die Seite der Patienten geschlagen und immer dann eine Beweislastumkehr angenommen, wenn ein grober Behandlungsfehler vorlag oder dringend gebotene Befunde nicht erhoben wurden. Diese Rechtsprechung hat die Regierung nunmehr in ein Gesetz aufgenommen.
Die Folgen einer generellen Beweislastumkehr
Auch ohne sich die Gesetzesgrundlage genauer anzuschauen, kann man die Hintergründe für diese Vorgehensweise leicht erkennen. Eine generelle Beweislastumkehr hätte fatale Folgen für das gesamte Gesundheitswesen und die Situation der Patienten. Ärzte würden notgedrungen nur noch äußerst vorsichtig agieren, um jegliches Risiko zu vermeiden. Das wiederum würde zu einem Rückschritt in der Medizin zu Lasten der Patienten führen. Auf der anderen Seite würden die Versicherungsprämien von Kliniken und Ärzten ins Unermessliche steigen, was eine regelrechte Spirale von Kostendruck und Minimalversorgung in Gang setzen würde. Es stünde sogar zu befürchten, dass die Versicherer überhaupt nicht mehr versichern würden. Das alles kann nicht gewünscht sein.
Es gibt ohnehin nur noch drei Haftpflichtversicherer, die Ärzte und Kliniken versichern. Und in der Presse ist immer wieder zu lesen, dass Hebammen ihren Beruf aufgeben, weil sie die Versicherungsprämien nicht aufbringen können.
Problem krankes Gesundheitssystem
Der Ansatz zur Verbesserung der Situation liegt meines Erachtens auch nicht in einer generellen Beweislastumkehr. Das Problem liegt ganz woanders, nämlich in dem seit Jahren und Jahrzehnten kranken Gesundheitssystem. Würde der Gesetzgeber für eine patientengerechte Behandlung sorgen und den Arzt nicht zur Fließbandabfertigung zwingen, würde er den Kostendruck nicht ständig erhöhen und dadurch Personalmangel erzeugen, würde die Zahl der Behandlungsfehler radikal sinken.
Die Bevölkerung wäre insgesamt wesentlich gesünder und es könnten erhebliche Kosten eingespart werden, mit denen wiederum die Mehrbelastung finanziert werden könnte. Von den positiven Auswirkungen auf die Volkswirtschaft ganz zu schweigen.
Martin Quirmbach, Experte für Arzthaftungsrecht / Gründungspartner, Namensgeber und seit 2018 Berater der Kanzlei