Mithaftung bei deutlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit
Selbst wenn ein Motorradfahrer vorfahrtberechtigt ist, haftet er zu 70 %, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschreitet und es zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug kommt. Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Urteil vom 23.02.2016 entschieden, dass eine Haftungsverteilung von 30 % zu 70 % zu Lasten des Motorradfahrers gerechtfertigt ist, wenn dieser die zulässige Höchstgeschwindigkeit in erheblichem Maß überschreitet und es so zum Zusammenstoß mit einem PKW kommt, der aus einer untergeordneten Straße abbiegen will.
Der Fall
Ein 28 Jahre alter Motorradfahrer fuhr mit mindestens 120 km/h auf einer vorfahrtsberechtigten Straße, auf der die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt war. Ein PKW-Fahrer bog, als das Motorrad noch ca. 250 Meter entfernt war, von rechts aus einer untergeordneten Straße langsam nach links auf die vorfahrtsberechtigte Straße ab. Obwohl der Motorradfahrer sofort bremste und versuchte, auszuweichen, stieß er mit dem PKW zusammen. Dabei zog der Motorradfahrer sich schwere Verletzungen zu.
Haftungsverteilung ist gerechtfertigt
In der ersten Instanz ging das Landgericht von einem überwiegendem Verschulden des Motorradfahrers aus, nahm seine alleinige Haftung an und wies dessen Ansprüche gänzlich zurück.
Das Oberlandesgericht Hamm, in der zweiten Instanz mit dem Fall befasst, sah dagegen eine zumindest 30%ige Haftung des PKW-Fahrers. Bei Beginn seines Abbiegevorganges hätte er nämlich das mit eingeschaltetem Fahrlicht herannahende Motorrad sehen müssen und folglich nicht abbiegen dürfen bzw., wenn überhaupt, zügig anfahren müssen. Aufgrund der massiven Tempoüberschreitung sah das Oberlandesgericht Hamm allerdings auch ein hohes Verschulden auf Seiten des Motorradfahrers und bewertete dieses mit 70 %.
Fazit
Vor diesem Hintergrund sollten Verkehrsteilnehmer unbedingt die Folgen einer deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung bedenken, denn bei unverschuldeten Unfällen haften sie mit. Auch eine mögliche Vorfahrtsberechtigung ändert in dem Fall nichts.
Und gerade Motorradfahrern zeigt das Urteil, dass ihnen der Bonus des vermeintlich schwächeren Verkehrsteilnehmers bei der Haftungsverteilung nicht immer zuerkannt wird.