Behandlungsfehler-Statistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstelle 2017
Soeben erreicht mich eine Einladung zur Pressekonferenz der Bundesärztekammer (BÄK), die sich am 4.4.2018 mit dem oben genannten Thema beschäftigt.
In diesem Kontext möchte ich aufzeigen, dass entgegen einiger Darstellungen die Zahl der Behandlungsfehler und auch die von den Schlichtungsstellen festgestellten Fälle nicht rückläufig sind. Dies widerspricht den Behauptungen einiger Institutionen, wie der Schlichtungsstelle für Thüringen oder der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen in Sachsen.
Arbeit der Gutachterkommissionen hat an Wert verloren
Ich stelle zunächst die These auf, dass die Arbeit der Kommissionen in den letzten Jahren deutlich an „Wert“ verloren hat. Dies liegt nicht daran, dass die Mitglieder der Einrichtungen schlechter arbeiten. Die Ursache für den ausbleibenden positiven Effekt ist allein das Regulierungsverhalten der Versicherer. Aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung kann ich sagen, dass zahlreiche Versicherungsgesellschaften den Bereich Arzthaftung aufgegeben haben, also Ärzte und Kliniken nicht mehr versichern. Der geschädigte Patient hat es daher nur noch mit einigen wenigen Versicherern zu tun.
Führte vor zehn oder mehr Jahren ein positiver, den Behandlungsfehler feststellender Bescheid der Schlichtungsstellen noch in einem nennenswerten Umfang zu einer außergerichtlichen Einigung mit dem zuständigen Versicherer, hat sich das Blatt inzwischen vollkommen zum negativen gewendet. Heute kann ich sagen, dass ein positiver Schlichtungsbescheid die Klage nicht verhindert, weil die Versicherer einen für den Patienten positiven Bescheid schlicht ignorieren, auch wenn der Sachverhalt klar und nachvollziehbar ist
Eine Ursache liegt auch in dem allgemein zu beklagenden Werte- und Moralverlust, dem zunehmenden Verschwinden von Ethik und Anstand. Die Versicherer sind voll auf den Zug „Fake News“ aufgesprungen. Klar belegbare Fakten werden negiert und stattdessen Behauptungen im Sinne von „der Schnee ist schwarz“ aufgestellt. Sachverhalte erfinden, Lügen verbreiten – all das bleibt ohne Konsequenz.
Unverbindlichkeit der Bescheide, lange Verfahrensdauer
Das größte Handikap, das den positiven Effekt der Schlichtungsstellen verhindert, ist die Unverbindlichkeit ihrer Bescheide.
An zweiter Stelle steht die überlange Verfahrensdauer. In unserer Kanzlei raten wir Patienten davon ab, die Schlichtungsstelle einzuschalten. Das Verfahren dauert manchmal mehrere Jahre und endet in der überwiegenden Anzahl der Fälle für den Patienten negativ. D.h., er hat zum einen viel Zeit verloren und zum anderen wurden seine Chancen auf einen positiven Abschluss reduziert, da der negative Bescheid natürlich auch der Gegenseite vorliegt.
Ich möchte nicht einer Parallelgerichtsbarkeit das Wort reden, sehe jedoch einige Möglichkeiten, die Arbeit der Gutachterkommissionen wieder wertvoller und effektiver zu machen. Es ist im Übrigen ja auch sehr frustrierend, wenn selbst die Mitglieder der Kommissionen erkennen, dass ihre Arbeit ignoriert wird, sie also im Grunde wertlos ist.
Wege zu mehr Effektivität der Schlichtungsstellen
- Den Schlichtungsstellen sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, selbst Zeugen zu vernehmen. Die Kommission wird in aller Regel von einem versierten Juristen geleitet, meist sind es pensionierter Richter, die in einer Arzthaftungskammer (Landgericht) oder einem Arzthaftungssenat (Oberlandesgericht) tätig waren und dort sogar den Vorsitz hatten. Die nötige Qualifikation und Erfahrung zur Durchführung von Beweisaufnahmen wären also gewährleistet.
Wenn trotz durchgeführter Beweisaufnahme das Ergebnis von der einen oder anderen Partei nicht akzeptiert wird, könnte der Bescheid und die ihm zu Grunde liegende Beweisaufnahme Grundlage eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags im Sinne des gesetzlich vorgeschriebenen Sühneversuchs sein. Heute ist es so, dass Sühneversuche in Arzthaftungssachen stets scheitern. - Einige Schlichtungsstellen laden die Parteien zu einem Erörterungstermin. Dies sollte nicht die Ausnahme, sondern eine festgeschriebene Regel sein. Die Zahl der außergerichtlichen Einigungen, z.B. auch nach durchgeführter Beweisaufnahme und Vergleichsverhandlungen im Termin vor der Schlichtungsstelle würde sich meines Erachtens wieder signifikant nach oben bewegen.
- Voraussetzung für einen größeren Erfolg der Schlichtungsstellen und eine bessere Akzeptanz in der Bevölkerung ist natürlich auch eine deutliche Verbesserung der personellen Ausstattung. Es müssen mehr und zudem hochqualifizierte Richter, Ärzte, Anwälte diese Aufgabe übernehmen. Natürlich gehört auch eine adäquate Bezahlung zu den notwendigen Verbesserungen.
- Der finanzielle Mehraufwand kann im vollen Umfang durch die Entlastung der Gerichte aufgefangen werden. Viele geschädigte Patienten schrecken davor zurück, ihre berechtigten Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, sei es aus Angst vor den Kosten, wegen der oft jahre- und jahrzehntelangen Prozessdauer oder gar wegen der zum Teil berechtigten Annahme, dass Gerichte und auch Gutachter in Arzthaftungsprozessen oft befangen sind.
- Es existiert bereits ein flächendeckendes Netz aus Schlichtungsstellen/Gutachterkommissionen. Dieses Netz auszubauen, personell, und finanziell zu verstärken und mit mehr Befugnissen auszustatten, sollte das Ziel sein. Die Arbeit der Schlichtungskommission kostet auch jetzt bereits erhebliche Summen. Dieser finanzielle Aufwand würde bei einem Umsetzen der oben genannten Vorschläge nicht wirkungslos verpuffen.
Außerdem, und das muss das wichtigste aller Ziele sein, würde der Rechtsfrieden gesichert bzw. wieder hergestellt. Der Betroffene hätte wieder das Gefühl, ernst genommen zu werden. In Arzthaftungsverfahren könnte deutlich schneller als bisher eine Lösung im Sinne eines Vergleichs gefunden werden.
Der Status quo der Schlichtungsstellen ist eine halbherzige Lösung. Diese sinnvolle Einrichtung sollte unterstützt und gestärkt werden, dann findet sie auch wieder Anklang in der Bevölkerung. Eine weitgehende Entlastung der Justiz und eine schnellere Beilegung von Rechtsstreitigkeiten wäre die logische Konsequenz.
Martin Quirmbach, Experte für Arzthaftungsrecht / Gründungspartner, Namensgeber und seit 2018 Berater der Kanzlei