Medizinische Begutachtung von Unfallopfern – 55. Verkehrsgerichtstag
Vielleicht haben Sie es in den Medien verfolgt. Letzte Woche fand der Verkehrsgerichtstag in Goslar statt. Der Arbeitskreis V, in dem wir vertreten waren, beschäftigte sich mit dem Thema „Medizinische Begutachtung von Unfallopfern“.
Qualität medizinischer Gutachten
Es bestand Einigkeit darüber, dass die Qualität der medizinischen Gutachten verbessert und die Erstellung der Gutachten beschleunigt werden muss. Ein Gremium soll zusammentreten, um allgemeingültige Standards festzulegen. Im Laufe des Treffens wurde deutlich, dass sowohl die Versicherer als auch die Anwälte der Betroffenen ein großes Interesse an aussagekräftigen Gutachten haben. Denn diese bilden die Grundlage für eine angemessene Regulierung.
Offenlegung von Gesundheitsdaten
Eine Diskussion entzündete sich an der Frage, ob der Betroffene seine Gesundheitsdaten uneingeschränkt offenlegen muss. Nach Ansicht der Versicherer sollte diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Gefordert wurde die Offenlegung aller Gesundheitsdaten. Die Arbeitsgruppe hat nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Für und Wider eine gute Lösung erarbeitet: Es sollen nur die Gesundheitsdaten offengelegt werden, die für die Verletzung relevant sind. Bei Uneinigkeit darüber, was relevant ist, kann der Gutachter zu Rate gezogen werden.
Mit Vertrauensperson zum Gutachter?
Kann die betroffene Person eine Vertrauensperson zur Begutachtung mitnehmen? Bisher wird so verfahren, dass die Begutachtung grundsätzlich ohne Begleitperson stattfindet. Mit der Empfehlung des Arbeitskreises soll es nun möglich sein, dass der Gutachter eine Vertrauensperson zulassen kann.
Schweigepflichtentbindungserklärung
Das für uns spannendste Thema war die Frage, wie zukünftig mit Schweigepflichtentbindungserklärungen umgegangen werden soll. Da sich der GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.) und die Arge (Arbeitsgemeinschaft) Verkehrsrecht derzeit intensiv mit diesem Thema befassen, wurde hierzu keine Empfehlung ausgesprochen. Das Ergebnis dieses Gremiums bleibt daher abzuwarten. Die Versicherer haben signalisiert, dass sie an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sind.
Nachfolgend die Empfehlungen des Arbeitskreises im Wortlaut:
- Besonders der erheblich Verletzte bedarf zur Geltendmachung seines Schadens eines unabhängigen und qualifizierten medizinischen Sachverständigen.
- Der Arbeitskreis hält zur Sicherung und Verbesserung der Qualität medizinischer Gutachten eine Standardisierung in formaler und inhaltlicher Hinsicht für erforderlich. Die bislang vorliegenden Empfehlungen und Leitlinien erfüllen diese Anforderung nur teilweise.
Daher sollten allgemeingültige Standards von Vertretern der Anwaltschaft, der Versicherungswirtschaft, der Ärzteschaft und der Justiz erarbeitet werden. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Beschleunigung der medizinischen Begutachtung. Ferner sollte über die Einrichtung einer zentralen Datenbank geeigneter medizinischer Sachverständiger nachgedacht werden, die den Geschädigten und ihren Anwälten, den Versicherern sowie den Gerichten zur Verfügung steht. - Vorerkrankungen, die für die Begutachtung der Verletzungen relevant sein könnten, hat der Verletzte offenzulegen. Hinsichtlich der Relevanz ist ggf. der medizinische Sachverständige vorher anzuhören.
- Bei der Begutachtung kann der medizinische Sachverständige eine Vertrauensperson zulassen.
- Die Vertreter der Versicherungswirtschaft und Anwaltschaft werden aufgefordert, sich auf eine gemeinsame Formulierung der Schweigepflichtentbindungserklärung zu verständigen.
Insgesamt sind die Empfehlungen zu begrüßen. Die Entwicklung bezüglich der Schweigepflichtentbindungserklärungen bleibt abzuwarten, aber auch hier sind wir zuversichtlich, dass es zu einer für alle Beteiligten tragbaren Lösung kommt. Den Ergebnissen des GDV und der Arge Verkehrsrecht sehen wir daher mit Zuversicht entgegen.
Rechtsanwältin Melanie Mathis, Fachanwältin für Verkehrsrecht