Ein schwerer Unfall oder ein Behandlungsfehler kann schwerwiegende gesundheitliche, finanzielle und emotionale Folgen haben. Neben der medizinischen Versorgung und Rehabilitation stellt sich für die Betroffenen oft die Frage, welche finanziellen Ansprüche sie haben. Viele wissen nicht, dass ihnen neben dem Schadensersatz, der die materiellen Schäden ausgleicht, in der Regel auch Schmerzensgeld zusteht. Doch welche Faktoren beeinflussen die Höhe des Schmerzensgeldes? Welche Fristen sind zu beachten und wie setzt man den Anspruch durch? In diesem Beitrag erhalten Sie alle relevanten Informationen - verständlich erklärt
Was ist Schmerzensgeld?
Schmerzensgeld ist ein finanzieller Ausgleich für immaterielle Schäden – also für Schmerzen, seelisches Leid oder die Beeinträchtigung der Lebensqualität infolge eines Unfalls oder eines Behandlungsfehlers. Der gesetzliche Rahmen ist in § 253 BGB festgelegt.
Während sich der Schadensersatz auf finanzielle Einbußen wie Behandlungskosten, Verdienstausfall oder einen Haushaltsführungsschaden bezieht, deckt das Schmerzensgeld immaterielle Schäden ab.
Schmerzensgeld in der Praxis: Beispiele
Behandlungsfehler mit langfristigen Folgen
Ein Patient erleidet durch einen Behandlungsfehler schwere Verbrennungen, die starke Schmerzen verursachen und zu einer dauerhaften Entstellung führen. Sein Leben verändert sich schlagartig: sozialer Rückzug, psychische Belastung, langwierige Behandlungen.
Das Schmerzensgeld soll ihm nicht nur eine finanzielle Entschädigung bieten, sondern ihm auch dabei helfen, mit den Folgen umzugehen – etwa durch kosmetische Eingriffe oder psychologische Betreuung.Funktionen des Schmerzensgeldes laut BGH
Verkehrsunfall mit schweren Verletzungen
Eine Radfahrerin wurde von einem abbiegenden Auto übersehen und erlitt beim Zusammenstoß mehrere Knochenbrüche sowie ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Nach Wochen im Krankenhaus und einer langen Reha ist sie in ihrer Bewegung weiterhin eingeschränkt und leidet unter Konzentrationsstörungen.
Das zugesprochene Schmerzensgeld soll ihre Schmerzen und den Kontrollverlust über den eigenen Körper ausgleichen und ihr helfen, schrittweise wieder in ein selbstbestimmtes Leben zurückzufinden. Dazu sollen unter anderem Mobilitätshilfen, Therapien und psychologische Unterstützung beitragen.
Funktionen des Schmerzensgeldes laut BGH
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) erfüllt das Schmerzensgeld zwei wesentliche Funktionen:
Ausgleichsfunktion: Der Geschädigte soll für die erlittenen immateriellen Schäden entschädigt werden.
Genugtuungsfunktion: Der Schädiger soll für sein Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen und bestraft werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt diese Doppelfunktion:
„Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger für das, was er angetan hat, Genugtuung schuldet.“
Wie wird Schmerzensgeld berechnet?
Die Höhe des Schmerzensgeldes wird von mehreren Faktoren beeinflusst, die den individuellen Leidensweg der betroffenen Person widerspiegeln. Sie hängt vom Einzelfall und den Folgen für den Geschädigten ab. In der Vergangenheit wurden beträchtliche Summen erstritten, darunter 400.000 Euro für eine schwere Schädelverletzung nach einem Überfall, 250.000 Euro für einen Mandanten, der durch einen Verkehrsunfall erwerbsunfähig wurde, und die Rekordsumme von 700.000 Euro für einen Geburtsschaden im Jahr 2014.
Entscheidende Faktoren sind unter anderem:
die Schwere der Verletzung
die Dauer der Behandlung und des Krankenhausaufenthalts
die Intensität der Schmerzen (z.B. bei Verbrennungen)
das Alter der verletzten Person
die weiteren Folgen (von bleibenden körperlichen Beeinträchtigungen bis hin zu psychischen Problemen wie Depressionen).
In diesem Zusammenhang ist die sogenannte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ein wichtiger Begriff. Sie beschreibt, in welchem Umfang jemand durch eine Verletzung oder Erkrankung dauerhaft in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist und somit weniger Einkommen erzielen kann als ein gesunder Mensch. Grundsätzlich gilt: Je gravierender die gesundheitlichen Einschränkungen sind, desto höher fällt der Anspruch auf eine immaterielle Entschädigung aus.
Schmerzensgeldtabellen: Orientierung, aber keine Berechnungsgrundlage
Warum Tabellen nur begrenzt geeignet sind
Da die Höhe des Schmerzensgeldes stets vom Einzelfall abhängt, existieren keine universell gültigen Tabellen. Einige Tabellenwerke haben sich jedoch als nützliche Referenzen etabliert, wie z. B. die ADAC-Schmerzensgeldtabelle oder die Beck’sche Schmerzensgeldtabelle.
Diese Tabellen geben jedoch nur einen Anhaltspunkt, in welchem Rahmen sich Schmerzensgeldforderungen bewegen können. Die konkrete Höhe des Schmerzensgeldes, die letztlich gerichtlich festgesetzt wird, liegt immer im Ermessen der zuständigen Behörde bzw. des zuständigen Richters.
Die gängigen Schmerzensgeldtabellen sind nur eingeschränkt geeignet, da sie weder vollständig sind noch außergerichtliche Einigungen abbilden, ein Kritikpunkt, den viele Fachleute teilen. Zum einen sind die Auswahlkriterien für die Aufnahme einer Schmerzensgeldentscheidung in diese Tabellen willkürlich. Sie haben weder einen wissenschaftlichen Hintergrund noch eine statistische Grundlage. Zum anderen werden alle außergerichtlich ausgehandelten Schmerzensgeldbeträge in den Schmerzensgeldtabellen nicht berücksichtigt.
Wie Schmerzensgeld Betroffenen hilft
Obwohl Schmerzensgeld kein Allheilmittel ist, hilft es vielen Betroffenen, sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Viele nutzen es, um
private Pflegekräfte oder bessere medizinische Behandlungen zu finanzieren.
berufliche Alternativen zu suchen, wenn sie nicht mehr arbeiten können.
psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um das Erlebte zu verarbeiten.
Wie entscheidend Schmerzensgeld sein kann, zeigt das Zitat einer Betroffenen:
„Durch das Schmerzensgeld kann ich endlich sorgenfreier in die Zukunft blicken. Es nimmt mir nicht den Schmerz, aber es gibt mir ein Stück Sicherheit zurück“.
Schmerzensgeld und weitere finanzielle Ansprüche
Schmerzensgeld ersetzt nur den immateriellen Schaden. Daneben bestehen in der Regel weitere finanzielle Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz. Dazu gehören
Verdienstausfall – Wenn die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt oder aufgehoben ist.
Haushaltsführungsschaden – Wenn alltägliche Arbeiten nicht mehr selbst erledigt werden können und Hilfe benötigt wird.
Pflege- und Betreuungskosten – wenn dauerhafte Pflege notwendig ist.
Fahrt- und Behandlungskosten – Wenn zusätzliche medizinische Maßnahmen oder spezielle Therapien erforderlich sind.
Diese Ansprüche können insbesondere bei dauerhaften Beeinträchtigungen erhebliche Summen erreichen. Wichtig: Wird der Anspruch auf Schmerzensgeld durchgesetzt, trägt die Gegenseite sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten.
Wie ein Anspruch erfolgreich durchgesetzt wird
Viele Versicherungen versuchen, hohe Zahlungen hinauszuzögern oder zu vermeiden. Deshalb ist es wichtig, die folgenden Punkte zu beachten:
Sorgfältige Dokumentation - Arztberichte, Fotos der Verletzungen und Zeugenaussagen helfen, den Anspruch zu belegen.
Einschaltung eines spezialisierten Anwalts - Ein spezialisierter Anwalt kann Druck auf die Versicherung ausüben.
Frühzeitige Geltendmachung - Warten kann zur Verjährung des Anspruchs führen.
Auszahlung: Einmalbetrag oder Schmerzensgeldrente?
Die Höhe des Schmerzensgeldes ist eine Sache - aber wie wird es ausgezahlt? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten:
Einmalige Kapitalzahlung - Eine große Summe wird auf einen Schlag ausgezahlt.
Schmerzensgeldrente - monatliche Zahlungen über einen längeren Zeitraum.
Wie bereits erwähnt, versuchen Versicherungen oft, hohe Summen durch Verzögerungstaktiken hinauszuzögern oder abzulehnen. Dazu gehören:
Angebot viel zu niedriger Summen – Versicherungen bieten oft nur einen Bruchteil der berechtigten Summe an.
Endloses Nachfragen und Verzögern – Immer neue Gutachten oder Dokumente werden angefordert, um den Fall hinauszuzögern.
Abstreiten der Haftung – Auch in eindeutigen Fällen lehnen Versicherungen die Haftung oft zunächst ab.
Dabei gibt es einen wichtigen rechtlichen Punkt: Wenn eine Versicherung die Zahlung unangemessen lange hinauszögert, kann der Schadenersatz sogar erhöht werden. Gerichte werten ein solches Verhalten oft als zusätzliche Belastung für den Geschädigten.
Verjährung von Schmerzensgeldansprüchen
Wenn Sie Schmerzensgeldansprüche geltend machen wollen, haben Sie dafür drei Jahre Zeit (§ 195 BGB). Diese Frist beginnt immer am 1. Januar des Jahres, das auf das schädigende Ereignis folgt. Wichtig ist, dass Sie wissen, wer Ihnen den Schaden zugefügt hat und wie hoch der Schaden ist (§ 199 BGB).
Ein Beispiel: Sie hatten im Jahr 2021 einen Verkehrsunfall. Dann beginnt die Verjährungsfrist am 1. Januar 2022 und endet am 31. Dezember 2024.
Wenn Sie erst später erfahren, wer den Schaden verursacht hat oder wie hoch der Schaden ist, beginnt die Frist erst am 1. Januar des Jahres, das auf diese Kenntnis folgt.
Wichtig ist, dass Sie den Stichtag 31. Dezember nicht verpassen. Zögern Sie nicht, Ihre Ansprüche durchzusetzen. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte fristgerecht und in vollem Umfang geltend zu machen, damit Sie die Entschädigung erhalten, die Ihnen zusteht.
Fazit
Auch wenn kein Geld der Welt körperliches oder seelisches Leid ungeschehen machen kann, bietet ein angemessenes Schmerzensgeld die Möglichkeit, finanzielle Stabilität zurückzugewinnen und die Zukunft selbstbestimmter zu gestalten.