Schmerzensgeld ohne Ende?
Der Aufschrei in der Szene der Haftpflichtversicherer war groß, als sich die Schmerzensgeldbeträge gerade bei großen Personenschäden etwa zur Jahrtausendwende nahezu verdoppelten. Erhielt ein schwerst hirngeschädigter Mandant, etwa ein geburtsgeschädigtes Kind oder ein erwachsenes Unfallopfer im Wachkoma, noch ein symbolisches Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 bis 150.000 DM, also ca. 40.000 bis 75.000 EUR, wurden nun plötzlich Beträge im mittleren sechsstelligen Bereich ausgeurteilt.
Spätestens zur Euro-Einführung wurde dann der Betrag „500.000 EUR“ der neue Maßstab für die Zuerkennung eines hohen Schmerzensgelds für eine völlige Persönlichkeitszerstörung.
Höhe der Schmerzensgelder steigt
Der Trend ist ungebrochen und nur noch eine kleine Hand voll von Gerichten verschließt sich dieser Praxis. Von den viel beschworenen amerikanischen Verhältnissen sind wir damit aber immer noch sehr weit entfernt. Das ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass die Schmerzensgelder in Deutschland – anders als in den USA – niemals mit Strafcharakter ausgeurteilt werden.
Das Schmerzensgeld soll den Verlust der Lebensqualität eines Geschädigten ausgleichen!
Immer wieder sind wir in unserem Anwaltsalltag mit der Frage konfrontiert: „Wieviel ist der Verlust eines Armes, eines Beins oder im schlimmsten Fall der Fähigkeit zur Führung eines selbstbestimmten Lebens wert?“ Die Antwort bleibt immer: „Das lässt sich in Geld nicht aufwiegen“. Kein Schmerzensgeldbetrag kann für solche Schicksalsschläge „angemessen“ sein.
Schmerzensgeld – Entschädigung für immaterielle Schäden
Das Konzept des Schadensersatzes lautet: Naturalrestitution, also die Wiederherstellung des Zustandes vor der Schädigungshandlung. Dies ist jedoch bei einem geburtsgeschädigten Kind schlicht unmöglich. Der durch Sauerstoffmangel verursachte Zelltod im Gehirn eines Menschen kann trotz erheblicher medizinischer Fortschritte auf anderen Ebenen niemals kompensiert werden. Die Versicherungswirtschaft und mit ihr die Rechtsprechung haben daher auch sehr lange die Ansicht vertreten, dass dann auch ein hohes Schmerzensgeld niemals seinen Zweck erfüllen kann: Der Geschädigte selbst ist ja nicht in der Lage, das Geld zielgerichtet einzusetzen. Doch es bleiben noch die Betreuer und Eltern. Sie treten ggf. an die Stelle des Geschädigten und haben für eine zweckgerichtete Verwendung von Schmerzensgeld zum Wohle des Geschädigten Sorge zu tragen. So kann beispielsweise die Lebensqualität eines betroffenen Kindes durch sinnvolle Investitionen stark verbessert werden. Auch kann mit dem Geld eine professionelle Pflege oder sogar eine Urlaubsreise ermöglicht werden, wenn es das jeweilige Krankheitsbild zulässt.
Spürbarer Leidensdruck ist schmerzensgelderhöhendes Kriterium
Inzwischen ist erneut eine Tendenz zu erkennen, wonach die Schmerzensgelder noch weiter steigen. Das begrüßen wir im Sinne der Betroffenen ausdrücklich. Es wurden zwischenzeitlich Schmerzensgeldbeträge in Höhe von 650.000 EUR bis 800.000 EUR ausgeurteilt. Entscheidendes Kriterium für die weitere Erhöhung der Schmerzensgelder ist mitunter, ob der Geschädigte sein Leid begreift bzw. erfasst und aufgrund verbliebener Fähigkeiten auch spürt und daher einen erhöhten Leidensdruck hat. In den Fällen, in denen man eine solche Erkenntnis beim Geschädigten aufgrund der Schwere seines Hirnschadens und der daraus resultierenden Leiden nicht ermitteln kann, rechtfertigt das jedoch niemals eine Minderung des Schmerzensgeldes.
Spürbarer Leidensdruck muss zwangsläufig ein schmerzensgelderhöhendes Kriterium sein,. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass auch in Zukunft mit weiteren Erhöhungen der Schmerzensgelder zu rechnen ist. Leid wird damit niemals beseitigt, Gesundheit nur bedingt wiederhergestellt werden können. Es bleibt aber die Erwartung und Hoffnung, dass die Leiden für unsere Mandanten erträglicher gemacht werden.
Jan Tübben, Fachanwalt für Medizinrecht
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