Prozesskostenhilfe im Arzthaftungsrecht: So hat Ihr Antrag Erfolg
Oberlandesgericht lehnt Prozesskostenhilfeantrag ab wegen negativen Gutachtens einer ärztlichen Gutachter- und Schlichtungsstelle.
Im Januar 2022 lehnte das OLG Dresden (Beschluss vom 10.01.2022, Az. 4 W 899/21) den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Klage eines Patienten gegen seinen Hausarzt ab. Zur Begründung hieß es, dass in dem vom Patienten beantragten Gutachten der Gutachter- und Schlichtungsstelle keine Behandlungsfehler des Hausarztes festgestellt wurden.
In dem Fall ging es um folgenden Sachverhalt:
Der Antragsteller begehrte von seinem Hausarzt Schadenersatz und Schmerzensgeld, weil dieser in einem Zeitraum von 2 Jahren trotz der geschilderten Beschwerden, insbesondere Seh- und Sprachstörungen, keine weitergehenden Untersuchungen veranlasst hatte. Die Folge war, dass der Patient sich im Jahr 2017 einer Notoperation der beiden Hauptschlagadern des Halses unterziehen musste und zudem einen Hirninfarkt erlitt.
Um den Vorwurf der fehlerhaften Behandlung nachzuweisen, stellte der Patient einen Antrag auf Prüfung bei der ärztlichen Gutachter- und Schlichtungsstelle der zuständigen Landesärztekammer. Der Sachverständige bestätigte die erhobenen Vorwürfe jedoch nicht.
Der Patient entschloss sich trotzdem zur Klage. Da er jedoch weder eine Rechtsschutzversicherung hatte noch über die finanziellen Mittel für das Klageverfahren verfügte, stellte sein Anwalt einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage. Das Landgericht wies den Antrag jedoch aufgrund des negativen Gutachtens der Schlichtungsstelle zurück. Auch beim OLG Dresden scheiterte der Patient.
Im Einklang mit obergerichtlicher Rechtsprechung
Das OLG Dresden steht im Ergebnis mit seiner Entscheidung im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. Danach darf ein Gericht bei der Prüfung des Prozesskostenhilfeantrags ein vorgerichtlich eingeholtes Gutachten der Gutachter- und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer im Sinne einer sogenannten vorweggenommenen Beweiswürdigung berücksichtigen.
Es ist deshalb wichtig, gemeinsam mit einem erfahrenen Patientenanwalt zu klären, ob ein Schlichtungsverfahren bei einer Gutachter- und Schlichtungsstelle sinnvoll ist. Leider raten vermeintliche Experten oft pauschal und unreflektiert zu einem solchen Verfahren. Es ist zwar für den Patienten kostenfrei, aber wie der Beschluss des OLG Dresden zeigt, drohen schwerwiegende Konsequenzen: Ein negatives Gutachten kann dazu führen, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe und damit die Klage scheitert.
Ein negatives Schlichtungsgutachten wiegt schwer.
Denn ist das Kind erstmal in den Brunnen gefallen, wird es schwierig: Ein Patientenanwalt muss den Prozesskostenhilfeantrag und insbesondere seine Einwände gegen das Schlichtungsgutachten und gegen den Bescheid der Kommission sehr gut begründen und sich dafür intensiv mit dem Fall auseinandersetzen. Ein schlichtes „ich bin anderer Meinung“ reicht nicht.
„Lücken und offene Fragen herausarbeiten“
Der Patientenanwalt muss den Prozesskostenhilfeantrag gut begründen. Dafür ist es unerlässlich, dass er sich intensiv mit den medizinischen Zusammenhängen und dem Gutachten sowie dem Bescheid der Schlichtungsstelle auseinandersetzt. Dies kann mithilfe eines weiteren Sachverständigengutachtens gelingen, erfordert aber auch zuweilen eine eigene Prüfung der medizinischen Literatur.
Ein lückenhafter Vortrag kann verheerende Folgen haben. Dann hilft es auch nicht, dass im Arzthaftungsprozess der Grundsatz gilt, dass nur maßvolle Anforderungen an den Vortrag des Patienten zu stellen sind, und weder er noch sein Anwalt medizinische Kenntnisse haben müssen.
Der Patientenanwalt muss auch darauf achten, ob sich das jeweilige Gericht selbst intensiv mit dem Gutachten auseinandergesetzt hat. Denn, ein Schlichtungsgutachten ist weder ein Gerichtsgutachten noch ein staatsanwaltschaftliches Gutachten. Das Gericht muss daher besonders streng prüfen, ob das Gutachten die strengen Voraussetzungen an ein gerichtliches Gutachten erfüllt und sich mit allen Vorwürfen des Patienten und dem medizinischen Sachverhalt befasst hat.
Gelingt es dem Patientenanwalt, Lücken und offene Fragen im Gutachten für das Gericht erkennbar herauszuarbeiten, darf das Gericht nicht darüber hinweg gehen. Das Gericht darf auch nicht unterstellen, der Gutachter habe mit der für eine gerichtliche Entscheidung notwendigen Sorgfalt gearbeitet, sondern es muss sich selbst davon überzeugen.
Worauf es aus Patientensicht ankommt
Zusammenfassend lässt sich sagen: Es ist wichtig, frühzeitig einen erfahrenen Patientenanwalt einzuschalten, um zu klären, ob ein Verfahren bei der Gutachter- und Schlichtungskommission der Landesärztekammer wirklich sinnvoll ist. Ist das Verfahren bereits durchgeführt worden, mit negativem Ausgang, kommt es beim Prozesskostenhilfeantrag insbesondere auf folgendes an:
- intensive Auseinandersetzung mit dem negativen Gutachten/Bescheid
- gut begründete und untermauerte Kritik
- eigene Prüfung, ob sich das Gericht selbst intensiv mit dem Schlichtungsgutachten auseinandersetzt und es kritisch würdigt
Irem Jung, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht
spezialisiert auf Geburtsschäden und Behandlungsfehler bei Kindern