Misswirtschaft und Personalmangel – Einfallstor für Behandlungsfehler
Gerade mal wenige Tage alt sind die in der Presse veröffentlichten Meldungen über den Asklepios-Konzern, einem der größten deutschen Klinikverbünde, in denen vor Misswirtschaft und Personalmangel als vorprogrammiertem Einfallstor für Fehlbehandlungen gewarnt wird.
„Seit Monaten senden Ärzte des großen Klinikums an der Hamburger Alster intern Warnrufe aus. In Gefährdungsanzeigen schlagen die Mediziner Alarm und beschreiben desaströse Zustände in dem für seinen Renditehunger bekannten Klinikkonzern. E-Mails, Brandbriefe und Dienstpläne, die dem SPIEGEL vorliegen, dokumentieren, wie Asklepios das Ärztepersonal teils bis an die Schmerzgrenze ausdünnt und damit das Patientenwohl riskiert.“ (Quelle: SPIEGEL ONLINE)
Patientenfalle DRG
Leider ist der Klinikkonzern damit nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass auch und vor allem verbundangehörige Krankenhäuser häufig aus völlig sachfremden und nicht zuletzt wirtschaftlichen Erwägungen handeln, die dem fachmedizinischen Standard zuwiderlaufen. Seit der Einführung des sog. DRG-Abrechnungssystems stehen die wirtschaftliche Ziele im Mittelpunkt. DRG ist die Abkürzung für Diagnosis Related Groups (deutsch: diagnosebezogene Fallgruppen) und bezeichnet ein Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem Krankenhausfälle (Patienten) anhand von medizinischen Daten Fallgruppen zugeordnet werden.
Diese Fokussierung auf Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung wirkt sich negativ auf die Patientenversorgung und auf den Arbeitsalltag der Ärztinnen und Ärzte aus. Vermeidbar unterlassene medizinische Befunderhebung, voreilige Diagnosen, zurückgewiesene Patienten, sog. blutige Entlassungen, Delegation ärztlicher Aufgaben an nichtärztliches Personal sind dabei regelmäßig Folge von Organisationsfehlern und füllen zahllose Anwaltsakten.
Was häufig übersehen wird: Solche Fehler im organisatorischen Bereich sind nicht zwangsläufig den Ärztinnen und Ärztinnen als persönlicher Schuldvorwurf anzulasten. Vielmehr handelt es sich – auch weil im Arzthaftungsrecht der sog. objektive Verschuldensmaßstab gilt – um Fehler, die primär der Klinikleitung und damit häufig Nichtmedizinern angelastet werden müssen.
Behandlungsfehler als Folge überspitzter Profitgier
Krankenhausökonomen und Betriebswirte treffen aus rein wirtschaftlichen Erwägungen und einer mittlerweile überspitzten Profitgier Entscheidungen über eine Krankenhausstruktur, die sich unmittelbar auf die Behandlung jedes einzelnen Patienten auswirken.
Der Bundesgerichtshof, der in wiederkehrender Regelmäßigkeit derartige Verstöße beurteilen darf, weil etwa Patienten aufgrund der oben genannten „Auswüchse“ mit mal mehr, mal weniger schweren Folgen und manchmal auch mit ihrem Leben bezahlen müssen, hat sich schon vor vielen Jahren klar und deutlich zu dem geforderten medizinischen Standard geäußert:
„Die allgemeinen Pflichten zur betrieblichen Organisation finden in besonderen ärztlichen Pflichten zur Koordinierung der jeweils konkreten Behandlungsabläufe Entsprechung und Fortsetzung mit dem Ziel, den fachärztlichen Standard der Gesamtbehandlung sicherzustellen. Daher muss für jede Behandlungsphase ein verantwortlicher Arzt bestellt sein, der in Information, Abstimmung und Koordinierung der Therapiegesamtmaßnahmen für die Behandlungsregie verantwortlich ist, auch für die Entlassung des Patienten aus stationärer Behandlung.“ (zitiert aus Geiß/Greiner Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl.).
An diesen Maßstäben haben sich alle Kliniken zu orientieren. Doch bei Kliniken, die sich ausschließlich der Gewinnmaximierung verschrieben haben, ist nicht erkennbar, inwiefern sich zwischen betriebswirtschaftlicher Kalkulation der Klinikleitung und dem medizinischen Versorgungsauftrag noch ein tragbares und ausgewogenes Gleichgewicht herstellen lassen könnte.
Jan Tübben, Fachanwalt für Medizinrecht
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