Justiz fatal – Gericht spricht Kindermörder Gäfgen Schmerzensgeld zu
Das Landgericht Frankfurt hat dem 36jährigen Magnus Gäfgen 3.000 € Schmerzensgeld zugesprochen. Ein Urteil, das nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Eltern des Kindes ist, sondern auch in das aller Entführungsopfer und aller – wie die Justiz sagt – „billig und gerecht Denkenden“.
Gäfgen entführte im Jahr 2002 den 11jährigen Jakob von Metzler und tötete ihn. Anschließend versuchte er, von den Eltern ein Lösegeld in Höhe von 1 Mio Euro zu erpressen. Der damalige stellvertretende Polizeipräsident in Frankfurt und zwei Beamte hatten Gäfgen nach der Verhaftung schwere Gewalt angedroht, wenn er den Aufenthalt des Kindes nicht verrate.
Das gesunde Rechtsempfinden
Ich denke, bei dieser Entscheidung geht ein Aufschrei durch die Bevölkerung. Denn das Urteil ist mit einem gesunden Rechtsempfinden nicht in Einklang zu bringen.
Die Begründung ist nicht haltbar, denn das Gericht trennt nicht konsequent zwischen dem zweifellos rechtswidrigen Vorgehen der Polizeibeamten und der Eigenverantwortung (Mitverschulden – Eigenverschulden) des Täters.
Wird jemand durch einen Glatteisunfall schwer verletzt, weil der Verantwortliche rechtswidrig den Gehweg nicht von Schnee und Eis geräumt hat, heißt es bei den Gerichten allzu oft: „Kein Anspruch, Selbstverschulden, schließlich hättest du aufpassen können“.
Kein Spielraum für Schmerzensgeldanspruch des Mörders
Dem ohne jeden Zweifel bestehenden Anspruch auch des Kindesmörders auf rechtsstaatliches Verhalten wurde Genüge getan durch die Entlassung des stellvertretenden Polizeipräsidenten und die Verurteilung zweier Beamten zu Bewährungsstrafen. Für einen Schmerzensgeldanspruch des Mörders gibt es darüber hinaus nicht den geringsten Spielraum.
Das Gericht musste abwägen zwischen der Schwere des rechtswidrigen Verhaltens der Beamten und dem Eigenverschulden des Täters. Hält man sich die Qual des Kindes und seiner Eltern und das brutale, rücksichtslose und gewissenlose Vorgehen des Täters vor Augen, so kann die hier zu fordernde Antwort nur heißen: Nein!
Es gibt eine absolut korrekte juristische Begründung, die dem Straftäter Gäfgen jeden Anspruch auf Schmerzensgeld versagt.
Daran ändert auch die Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte nichts. Diesem ging es erkennbar darum, Verletzungen der Menschenrechte insbesondere auch Folter zu unterbinden, Und wenn zu der Begründung des Frankfurter Gerichts in einigen Presseberichten nun zu lesen ist, es sei kein Schmerzensgeld, sondern eine Entschädigung bewilligt worden, so ist dies der Versuch eines Kuhhandels. Man will dem Europäischen Gerichtshof Genüge tun, gleichzeitig aber dennoch vermeiden, dem Mörder ein Schmerzensgeld zuzubilligen.
Für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten und hierzu gehört an erster Stelle natürlich die Menschenwürde, gibt es aber keinen materiellen, sondern nur einen immateriellen Anspruch und dieser ist das Schmerzensgeld im Sinne des Gesetzes.
Wenn man hier dennoch von einer Entschädigung sprechen will, müsste eine neue gesetzliche Anspruchsgrundlage geschaffen werden. (Man darf gespannt sein auf die vollständige Urteilsbegründung).
Dem Schutz der Menschenwürde und der Durchsetzung des Folterverbotes ist auf andere Weise Genüge zu tun, als durch die Bewilligung eines Schmerzensgeldes für Herrn Gäfgen. Dies ist in meinem Augen nicht nur aus menschlicher Sicht eine völlig falsche Betrachtungsweise, sondern auch eine vor allem und in erster Linie falsche juristische Beurteilung.
Eine Abweisung der Klage hätte auch in keiner Weise mit der o.g. Begründung im Widerspruch zu der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes gestanden.
Vor Jahren hat das gleiche Gericht (wenn auch nicht die gleiche Kammer) in einem Fall einer Vergewaltigung, der in seiner Brutalität kaum vorstellbar war, dem Opfer ein Schmerzensgeld von nur 20.000 DM zugesprochen mit der Begründung, die Vergewaltigung habe ja nicht lange gedauert.
Ebenfalls eine Frankfurter Richterin hat einer Frau Schadensersatzansprüche gegen ihren Mann verweigert mit der Begründung, wenn sie einen muslimischen Mann heirate, wisse sie ja, worauf sie sie sich einlasse.
Richter agieren in einem Freiraum
Es ist an der Zeit, dass Entscheidungen von Juristen auch in der Öffentlichkeit mehr beachtet und der Kritik ausgesetzt werden. Richter agieren in einem Freiraum – „richterliche Unabhängigkeit“ genannt. Eine Fehlentscheidung, und sei sie noch so krass, hat für sie keinerlei Konsequenzen. Hier besteht dringender Reformbedarf.
Richterliches Versagen und unverständliche Entscheidungen sind an der Tagesordnung. Natürlich muss der Richter in seiner Entscheidung frei sein. Doch er muss dabei die grundlegenden Regeln des menschlichen Zusammenlebens, die die Basis unserer Rechtsordnung sind, beachten.
Gefragt sind nicht nur gute Examina und die Fähigkeit, juristische Spitzfindigkeiten in einem komplizierten Paragraphendschungel zu durchschauen, ein Richter sollte auch etwas vom Leben verstehen. Die Menschlichkeit geht unserer Justiz seit langem in vielen Bereich ab. Die Reform muss bereits bei der Auswahl der Richter ansetzen.
Man darf gespannt sein, wie die weiteren Instanzen entscheiden. Dieser Fall wird zweifellos vor dem Bundesgerichtshof landen und ich habe die berechtigte Hoffnung, dass spätestens hier eine harsche Korrektur dieses Urteils erfolgen wird.
Martin Quirmbach, Experte für Arzthaftungsrecht / Gründungspartner, Namensgeber und seit 2018 Berater der Kanzlei
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