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GeburtsschÀden

02.04.2019

Notfall-Kaiserschnitt in weniger als sechs Minuten?

Rechtsanwalt Sven Wilhelmy
Sven Wilhelmy
Inhaltsverzeichnis
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Chirurgisches Team bei einer Operation im OP-Saal, Fokus auf den Operateur mit Skalpell.

Die Nichteinhaltung der E-E-Zeit ist seit vielen Jahren Gegenstand zahlreicher Arzthaftungsprozesse. Die E-E-Zeit ist die nach fachĂ€rztlichem Standard akzeptable Zeit zwischen der Entscheidung (E) fĂŒr einen Notfallkaiserschnitt (Notsectio) und der Entwicklung (E) des Kindes. Ein Notfallkaiserschnitt ist eine Schnittentbindung, die im Rahmen einer lebensbedrohlichen Situation fĂŒr Mutter und/oder Kind durchgefĂŒhrt wird.

Wenn Sekunden ĂŒber Leben entscheiden

Bei der Bearbeitung unserer GeburtsschadensfĂ€lle stoßen wir immer wieder auf Konstellationen, in denen die Geburtssituation im Kreißsaal mal mehr, mal weniger rechtzeitig einen Notfallkaiserschnitt indiziert. Wenn dies der Fall ist, tickt die Uhr: Nach Ausrufung der Notsectio muss das Kind innerhalb von 20 Minuten entbunden werden.

Nachdem sich die Deutsche Gesellschaft fĂŒr GynĂ€kologie und Geburtshilfe (DGGG) in einer entsprechenden Empfehlung bereits fĂŒr eine E-E-Zeit von 10 bis 20 Minuten ausgesprochen hat, ist die Tendenz zu beobachten, dass z.B. SachverstĂ€ndige in Geburtsschadensprozessen sehr kulant mit einer Überschreitung dieser Vorgabe umgehen.

Notsectio: Warum jede Minute zÀhlt

Jede Sekunde, jede Minute, die das potenziell gefĂ€hrdete Kind lĂ€nger im Mutterleib verbleibt, birgt die Gefahr irreparabler SchĂ€den oder sogar des Todes des Kindes. Der Sauerstoffmangel gilt als die sogenannte gemeinsame pathophysiologische Endstrecke der kindlichen Notlage, unabhĂ€ngig von ihrer Ursache. Ziel ist es, diese Notfallsituation so schnell wie möglich zu beenden, da die Gefahr bleibender SchĂ€den fĂŒr das Kind mit der Dauer der Notfallsituation zunimmt (Time means brain).

Sauerstoffmangel: Die stille Gefahr

Der Fötus kann diesen Zustand zunĂ€chst durch eine sogenannte Sparschaltung und AktivitĂ€tsreduktion ĂŒberbrĂŒcken. Sind diese BewĂ€ltigungsmechanismen jedoch erschöpft, kommt es zu einer ÜbersĂ€uerung des Blutes und schließlich zu irreversiblen SchĂ€den. Die Wahrscheinlichkeit irreversibler SchĂ€den steigt mit der Dauer und Schwere des Sauerstoffmangels.

So lĂ€uft eine Notsectio ab – 14 Schritte

  1. Beginn der fetalen Notfallsituation

  2. Auftreten klinischer Symptome (z.B. im CTG)

  3. Erkennen der Symptome

  4. ÜberprĂŒfung der Symptome auf Bedeutung, Tendenz, Dauer oder Verlauf ggf. Benachrichtigung des Oberarztes

  5. Entscheidung zur Notfall-Sectio

  6. Alarmierung der Teams

  7. Vorbereitung der Patientin

  8. Bereitstellung der Instrumente und AnÀsthesiegerÀte

  9. Transport der Patientin zum Operationssaal

  10. Waschen und Umziehen des Teams

  11. Desinfizieren und Abdecken der Patientin

  12. Beginn der Narkose

  13. Beginn der Operation

  14. Entwicklung des Kindes

Warum 20 Minuten erreichbar sein mĂŒssen

EinschlĂ€gige Studien haben gezeigt, dass die E-E-Zeit von 20 Minuten fĂŒr die Mehrzahl der Patientinnen durch organisatorische Maßnahmen erreicht werden kann. Dies fĂŒhrte zu der Forderung, eine E-E-Zeit von 20 Minuten sicherzustellen (DGGG 1992). Durch organisatorische Maßnahmen wie Rufbereitschaft, adĂ€quate Vorbereitung der GebĂ€renden und Operationsmöglichkeit im Kreißsaal kann eine weitere VerkĂŒrzung der E-E-Zeit angestrebt werden.

Notkaiserschnitt in sechs Minuten – ein realistisches Ziel

Besonders spannend ist in diesem Zusammenhang, dass viele Kliniken bestrebt sind, die Anstrengungen zur weiteren VerkĂŒrzung der E-E-Zeit zu intensivieren: Notkaiserschnitt in sechs Minuten.

Das ist ein erstrebenswertes Ziel. Denn die Situation eines ungeborenen Kindes - etwa nach einem Uterusriss - ist mit der eines Ertrinkenden vergleichbar: Mit jeder Minute, die der Ertrinkungszustand andauert, sinkt die Hoffnung auf ein unbeschadetes Überleben oder eine erfolgreiche Reanimation. Die Leitlinie macht deutlich, dass durch eine Optimierung der AblĂ€ufe und der Kommunikation in den meisten FĂ€llen eine deutliche VerkĂŒrzung der E-E-Zeit erreicht werden kann. Der Nutzen fĂŒr das Kind ist unschĂ€tzbar.

Bestrebungen aus der Fachwelt, die sich sogar fĂŒr eine VerlĂ€ngerung der E-E-Zeit aussprechen, erscheinen anachronistisch und ĂŒberholt, da sie in keiner Weise mit der fortschreitenden Modernisierung und Professionalisierung und nicht zuletzt auch mit der Zentralisierung der Geburten und der Kreißsaalorganisation in Einklang zu bringen sind.

AnwaltsbĂŒro Quirmbach & Partner

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