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Geburtsschäden

15.10.2025

Kristeller-Handgriff – Risiken, Leitlinien & Rechte: Was Eltern wissen müssen

Rechtsanwalt Alexander Rüdiger
Alexander Rüdiger
Inhaltsverzeichnis
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Ärzteteam betreut eine gebärende Frau im Krankenhaus. Zwei Medizinerinnen und ein Arzt stehen am Bett und unterstützen sie

Die Geburt eines Kindes ist ein emotionaler Moment – doch manchmal kann es während der Geburt zu Komplikationen kommen, bei denen medizinisches Fachpersonal rasch handeln muss. Eine dabei immer wieder diskutierte Methode ist der Kristeller-Handgriff, auch Fundusdruck genannt.

Was viele nicht wissen: Diese Technik ist hoch umstritten, birgt erhebliche Risiken für Mutter und Kind und wird laut aktuellen Leitlinien nur noch in Ausnahmefällen empfohlen. In diesem Beitrag erklären wir, was genau der Kristeller-Handgriff ist, wann er eingesetzt wird und welche Gefahren damit verbunden sind. Zudem informieren wir darüber, welche rechtlichen Möglichkeiten betroffene Familien haben, wenn es zu einem Geburtsschaden kommt.

Was ist der Kristeller-Handgriff (Fundusdruck)?

Der Kristeller-Handgriff, auch Fundusdruck oder Kristeller-Manöver genannt, ist eine geburtshilfliche Technik aus dem 19. Jahrhundert. Dabei wird während einer Presswehe Druck auf den oberen Teil der Gebärmutter (den sogenannten Fundus) ausgeübt, um die Geburt zu beschleunigen.

Ursprünglich wurde dieses Verfahren bei Geburtsstillstand entwickelt, um die Austreibungsphase zu verkürzen, insbesondere in Situationen, in denen schnelle Hilfe erforderlich war und technische Hilfsmittel nicht verfügbar waren.

Wann und warum wird der Kristeller-Handgriff eingesetzt?

Trotz wachsender Kritik kommt der Kristeller-Handgriff auch heute noch in manchen Kreißsälen vor, meist in hektischen Situationen. Häufige Gründe sind:

  • Geburtsstillstand trotz Wehen

  • Erschöpfung der Mutter

  • Unterstützung bei vaginal-operativen Geburten (Saugglocke, Zange)

  • Beckenendlage des Babys

  • drohender fetaler Notfall, wenn ein Kaiserschnitt nicht mehr rechtzeitig möglich ist.

Wichtig: Selbst in diesen Fällen ist die Anwendung laut Leitlinien nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. 

Voraussetzungen laut S3-Leitlinie

Laut der medizinischen S3-Leitlinie "Vaginale Geburt am Termin" darf der Fundusdruck nur unter folgenden Bedingungen durchgeführt werden:

  • Der Muttermund ist vollständig geöffnet.

  • Es bestehen effektive Presswehen.

  • Der Babykopf ist bereits sichtbar.

  • Die Mutter wurde vorher umfassend aufgeklärt und hat ausdrücklich zugestimmt.

In der Praxis sind diese Bedingungen allerdings oft nicht erfüllt – und der Fundusdruck erfolgt leider nicht selten ohne Zustimmung oder ausreichende Indikation. 

Geburtsschäden durch Kristeller-Handgriff: Risiken im Überblick

Die Risiken des Kristeller-Handgriffs sind gravierend, sowohl für die Mutter als auch für das Kind. Insbesondere bei unsachgemäßer oder übermäßiger Anwendung können schwere gesundheitliche Schäden entstehen.

Risiken für die Mutter:

  • Uterusruptur (Riss der Gebärmutterwand)

  • Schwere Damm- und Scheidenrisse

  • Verletzungen des Beckenbodens mit möglichen Langzeitfolgen (z. B. Inkontinenz)

  • starke innere Blutungen

  • Rippenfrakturen

Risiken für das Kind:

  • Schädel-Hirn-Traumata

  • Rippenbrüche

  • neurologische Schäden durch Sauerstoffmangel

  • Reflexbradykardie (plötzlicher Abfall von Herzfrequenz und Blutdruck)

  • Knochenfrakturen

  • bleibende Behinderungen wie Cerebralparese

Ein besonders hohes Risiko besteht bei Schulterdystokie. Hier ist der Kristeller-Handgriff explizit kontraindiziert, da er Nervenverletzungen (z. B. Plexusparese) auslösen kann. 

Was sagen medizinische Leitlinien zum Fundusdruck?

In der aktuellen S3-Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ wird deutlich vor dem Fundusdruck gewarnt.

Die Anwendung des Fundusdrucks ist zu vermeiden.

Nur in absoluten Ausnahmefällen und bei eindeutiger medizinischer Notwendigkeit ist der Kristeller-Handgriff zulässig – auch dann jedoch nur mit aktiver Zustimmung der Gebärenden. Ohne diese Zustimmung ist der Eingriff rechtlich äußerst problematisch.

Zur offiziellen Leitlinie (AWMF)

Geburtsschaden durch Kristeller-Handgriff: Ihre Rechte als Eltern

Wenn bei Ihnen der Kristeller-Handgriff ohne vorherige Aufklärung oder entgegen den Empfehlungen der Leitlinie angewendet wurde und es dadurch zu einem Geburtsschaden kam, können Sie rechtliche Schritte einleiten.

Mögliche Ansprüche:

  • Schmerzensgeld

  • Schadensersatz für Therapiekosten

  • Pflege- oder Rentenleistungen bei bleibenden Schäden

  • Kostenübernahme für medizinische Hilfsmittel oder Fördermaßnahmen.

Ein Fachanwalt für Medizinrecht kann prüfen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, beispielsweise durch:

  • Missachtung medizinischer Leitlinien

  • Anwendung ohne Zustimmung

  • unzureichende Dokumentation

  • verspätete Reaktion auf Komplikationen. 

Was können betroffene Eltern tun?

  1. Geburtsprotokoll anfordern: Lassen Sie sich alle Unterlagen zur Geburt aushändigen.

  2. Gedächtnisprotokoll schreiben: Notieren Sie alles, woran Sie sich erinnern.

  3. Beratung durch Fachanwalt: Lassen Sie den Fall rechtlich prüfen – idealerweise von einem Experten für Geburtsschäden.

  4. Medizinisches Gutachten einholen: Bei schwerwiegenden Verletzungen ist dies oft notwendig.

  5. Keine Scheu vor rechtlichen Schritten: Sie tun es nicht nur für sich, sondern auch für Ihr Kind.  

Mehr Risiko als Nutzen – Warum Fundusdruck kaum noch vertretbar ist

Der Kristeller-Handgriff gilt heute als medizinisch veraltete Methode mit hohem Gefährdungspotenzial. Nationale und internationale Fachgesellschaften empfehlen deshalb, Fundusdruck nur noch im absoluten Ausnahmefall durchzuführen, sofern alle Bedingungen erfüllt sind und die Mutter ausdrücklich zugestimmt hat.

 Für viele betroffene Eltern kommt diese Information jedoch zu spät. Umso wichtiger ist es, bei Verdacht auf einen Geburtsschaden frühzeitig zu handeln – für die Gesundheit Ihres Kindes und Ihre Rechte als Familie.

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