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GeburtsschÀden

30.08.2023

Haftungsrelevante Problemfelder in der Geburtshilfe: Versorgungsstufen und Leitlinien

Rechtsanwalt Alexander Rüdiger
Alexander RĂŒdiger
Inhaltsverzeichnis
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Ärztliche Hand zeigt auf das Wort ‚Leitlinien‘, umgeben von medizinischen Symbolen.

Behandlungsfehler in der Geburtshilfe sind leider immer noch keine Seltenheit. Die geburtshilfliche und gynĂ€kologische Betreuung von Schwangeren hat sich im Laufe der Jahre stetig weiterentwickelt. Dies fĂŒhrt einerseits zu einer besseren Versorgung der Patientinnen und zur FrĂŒherkennung von Problembereichen, andererseits aber auch dazu, dass Ärzte und KrankenhĂ€user mit dieser Entwicklung Schritt halten mĂŒssen.

WĂ€hrend WĂŒnsche und Vorstellungen der Betroffenen (z.B. Religion, Erziehung etc.) schon immer eine Rolle gespielt haben, kommen in jĂŒngster Zeit neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Fortschritte hinzu. Aber auch marketingstrategische EinflĂŒsse einer Klinik oder eines Geburtshauses beeinflussen sowohl die QualitĂ€t der Behandlung als auch die Entscheidung der Schwangeren.

Perinatalversorgung und Risikofaktoren: AbwÀgung bei der Wahl des Geburtsortes

Nicht allen werdenden Eltern ist bewusst, dass der höchste Standard der Neugeborenenversorgung immer das Perinatalzentrum (Level 1 oder 2) ist. Viele kleinere HĂ€user können diesen Standard, d.h. die apparative und personelle Ausstattung, nicht vorhalten. Es ist also nicht immer ein Kinderarzt vor Ort und es ist auch nicht jede technisch denkbare Versorgung vorhanden. Das bedeutet zwar nicht, dass die Behandlung in einem Krankenhaus der Maximalversorgung risikoĂ€rmer ist, aber Fakt ist: Je niedriger die Versorgungsstufe des Krankenhauses ist, desto grĂ¶ĂŸer ist das Risiko eines Geburtsschadens.

Auch kann den Eltern hier kein Vorwurf gemacht werden. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn das Krankenhaus selbst nicht erkennt, dass die aktuelle Geburtssituation die Anforderungen an das Haus ĂŒbersteigt. Hier spielen nicht nur Ego und FehleinschĂ€tzung der Situation eine Rolle, sondern auch Grenzen, die durch mangelnde Ausbildung, fehlende Instrumente und diagnostische Möglichkeiten gesetzt sind. Es liegt daher an den Geburtsorten selbst (z.B. Belegklinik, Hebamme, Krankenhaus niedriger Versorgungsstufe) zu erkennen, dass eine Überweisung in ein spezialisiertes Zentrum notwendig ist.

Mutterschaftsrichtlinien und aktuelle Evidenz

Die Ă€rztliche Betreuung der Schwangeren im Rahmen der Geburtshilfe ist in den sogenannten Mutterschaftsrichtlinien geregelt. Geburtshelferinnen und Geburtshelfer bzw. GynĂ€kologinnen und GynĂ€kologen sind an die Richtlinien gebunden und dĂŒrfen nur in ganz wenigen und vor allem begrĂŒndeten FĂ€llen davon abweichen.

Hier ist unter anderem geregelt, wann eine Risikogeburt vorliegt und wann ein spezialisiertes Team die Geburt begleiten muss. Dies kann eine FrĂŒhgeburt sein, kombinierte Risikofaktoren bei der Mutter (z.B. Schwangerschaftsdiabetes, Bluthochdruck und Eiweiß im Urin = PrĂ€klampsie oder Hellp-Syndrom), eine Zwillingsschwangerschaft oder bereits diagnostizierte ZustĂ€nde, z.B. intrauterine Wachstumsretardierung oder Amnioninfektionssyndrom (AIS) etc.

RisikoeinschÀtzung und Spezialbetreuung: Wann ist eine Verlegung notwendig?

Im Einzelfall kann die Verlegung in ein spezialisiertes Zentrum oder bei drohender Entbindung die Einweisung von Fachpersonal erforderlich sein. Nicht selten mĂŒssen Neonatologen oder KinderĂ€rzte die Schwangere aufsuchen, damit keine Zeit verloren geht und die Schwangere in dieser Zeit im Krankenhaus bleiben kann. Außerdem muss die Schwangere ĂŒber die Möglichkeit einer Sectio aufgeklĂ€rt werden.

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fĂŒr GynĂ€kologie und Geburtshilfe (DGGG)

Die DGGG aktualisiert stĂ€ndig ihre Leitlinien, um den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien Rechnung zu tragen. Diese Leitlinien geben detaillierte Hinweise fĂŒr die Betreuung von Schwangeren, insbesondere im Hinblick auf vorgeburtliche Untersuchungen, genetische Beratung und den Einsatz neuer Technologien in der Geburtshilfe.

Sie sind ein wichtiges Kriterium, um auch Ärzte mit möglichen Fehlern zu konfrontieren und einen gemeinsamen Standard fĂŒr alle in der Geburtshilfe tĂ€tigen Kliniken zu schaffen. Auch wenn es spezialisierte HĂ€user in ganz Deutschland gibt, so bleibt doch der Maßstab, an dem man sich orientieren muss, immer der gleiche. Es kommt nicht selten vor, dass sich der Arzt auf das Argument zurĂŒckziehen will, man sei doch gar nicht so spezialisiert und mĂŒsse deshalb das Bewertungsniveau absenken. Das ist aber falsch, denn der medizinische Standard gilt fĂŒr alle Ärzte und KrankenhĂ€user gleichermaßen.

Einhaltung von Standards und Haftungsvermeidung

Abschließend ist zu betonen, dass die Einhaltung dieser Leitlinien und Richtlinien von entscheidender Bedeutung ist. Die meisten haftungsrelevanten FĂ€lle resultieren aus VerstĂ¶ĂŸen gegen diese Vorgaben. Sowohl Gutachter als auch Ärzte mĂŒssen sich daran orientieren. Daher ist es unerlĂ€sslich, dass medizinisches Personal stĂ€ndig geschult und ĂŒber die neuesten Standards und Technologien informiert wird. Ist dies nicht der Fall, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine EntschĂ€digung fĂŒr diesen Verstoß gezahlt wird.

Mehr zur rechtlichen EinschÀtzung von GeburtsschÀden finden Sie hier: Behandlungsfehler bei der Geburt

AnwaltsbĂŒro Quirmbach & Partner

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