
Ein Medikament mit zwei Gesichtern
Ein Medikament, zwei Seiten: Angusta mit dem Wirkstoff Misoprostol steht aktuell im Zentrum einer kontroversen Debatte. Für viele Eltern, die kurz vor der Geburt stehen, ist dieses Medikament neu. Und doch hat es das Potenzial, den Verlauf einer Geburt entscheidend zu beeinflussen. In den letzten Wochen wurde bekannt, dass es in mehreren Fällen nach der Gabe von Angusta zu schweren Komplikationen gekommen ist. Sowohl für das ungeborene Kind als auch für die Mutter. In mindestens einem Fall endete die Anwendung tödlich.
Was genau ist Angusta, warum wird es eingesetzt und welche Risiken gibt es? Wie ist die rechtliche Situation, wenn Komplikationen auftreten? Worauf sollten betroffene Eltern achten, wenn sie den Eindruck haben, dass bei der Geburt etwas schiefgelaufen ist? Wir klären auf – medizinisch, rechtlich und menschlich.
Wie Angusta wirkt – und warum es kritisch sein kann
Angusta enthält 25 Mikrogramm Misoprostol und ist seit 2021 zur Geburtseinleitung in Deutschland zugelassen. Der Wirkstoff sorgt dafür, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht und Wehen ausgelöst werden. Der Vorteil: Misoprostol wirkt zuverlässig, ist einfach zu verabreichen und kann die Zahl der Kaiserschnitte senken. So weit, so gut.
Doch genau hier beginnt das Problem, denn Misoprostol ist ein starker Wirkstoff. Wenn er zu hoch dosiert wird oder bei bestimmten Vorerkrankungen verabreicht wird, kann er große Risiken bergen. Mögliche Folgen sind übermäßige Wehen (Hyperstimulation), eine verringerte Herzfrequenz des Kindes, Plazentaablösungen oder im schlimmsten Fall ein Riss der Gebärmutter (Uterusruptur).
Was hinter der aktuellen Debatte steckt
Bereits im Jahr 2020 wurde intensiv über die Sicherheit von Misoprostol diskutiert – damals im Zusammenhang mit dem Medikament Cytotec. Dieses enthielt denselben Wirkstoff, war jedoch nicht zur Geburtseinleitung zugelassen, wurde in vielen Kliniken aber im sogenannten „Off-Label-Use” angewendet.
Mit Angusta existiert seit 2021 erstmals ein in der EU zugelassenes Präparat zur Geburtseinleitung. Trotzdem gibt es weiterhin Vorbehalte. Einige Fachleute kritisieren die Zulassungsgrundlage und verweisen auf ältere Daten aus der Zeit von Cytotec. Die Behörden reagieren: So hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Ärztinnen und Ärzte erneut daran erinnert, die Anwendungsrichtlinien streng einzuhalten.
Das ZDF greift das Thema im Beitrag Tod im Kreißsaal (verfügbar in der Mediathek) auf.
Rechtliche Lage bei Komplikationen – was Eltern wissen sollten
Wenn Sie selbst betroffen sind und der Verdacht besteht, dass es im Zusammenhang mit der Gabe von Angusta oder Misoprostol zu Komplikationen kam, lassen Sie sich beraten. Nicht jede Komplikation ist automatisch ein Behandlungsfehler, aber jede Komplikation verdient es, gehört und sorgfältig geprüft zu werden.
Eine juristische Einordnung orientiert sich am sogenannten Facharztstandard. Das bedeutet, dass sich Medizinerinnen und Mediziner bei der Behandlung an das halten müssen, was in der Fachwelt als gesichert und angemessen gilt. Wird gegen diesen Standard verstoßen, beispielsweise durch eine falsche Dosierung, die Missachtung von Kontraindikationen oder eine unzureichende Aufklärung, kann daraus ein Anspruch auf Schadensersatz entstehen.
Aufklärung ist Pflicht – nicht Kür
Ein besonders sensibler Punkt ist die Frage, ob Sie vor der Behandlung ausreichend über Risiken, Nebenwirkungen und Alternativen informiert wurden. Gerade beim Einsatz starker Medikamente wie Angusta ist eine umfassende und dokumentierte Aufklärung Pflicht. Dazu gehört auch die Information über mögliche Alternativen oder die Frage, ob ein Kaiserschnitt eine Option gewesen wäre.
Schadensersatz nach Geburtsschäden
Wenn Ihr Kind gesundheitliche Einschränkungen hat oder Sie selbst bleibende Verletzungen erlitten haben, können Schadensersatzansprüche bestehen. Diese können sehr umfangreich sein: vom Schmerzensgeld über Kosten für Therapien, Pflege, Hilfsmittel und Verdienstausfall bis hin zur lebenslangen Sicherstellung des Unterhalts bei schweren Behinderungen.
Unsere Empfehlung: Frühzeitig handeln
Sprechen Sie mit einer spezialisierten Kanzlei für Geburtsschadensrecht. Aus Erfahrung wissen wir: Viele Betroffene suchen zu lange nach Erklärungen. Je früher die richtigen Fragen gestellt und relevante Unterlagen gesichert werden, desto besser sind die Chancen auf Aufklärung und Gerechtigkeit. Denn Geburtsschäden sind keine Statistik. Sie betreffen echte Kinder und echte Familien, die echte Unterstützung verdienen.