Cookies 🍪

Diese Website verwendet Cookies, die Ihre Zustimmung brauchen.

Behandlungsfehler

10.09.2024

Schlechte Kommunikation zwischen Ärzten: Nährboden für Behandlungsfehler!?

Anna-Maria Weiss, Rechtsanwältin
Anna-Maria Weiß
Inhaltsverzeichnis
Artikel teilen
Illustration einer Frau und eines Mannes mit roten Fragezeichen über dem Kopf, verbunden durch eine unübersichtliche, schwarze Kritzel-Linie – Symbol für missverständliche Kommunikation.

Moderne Medizin: Ohne Zusammenarbeit geht es nicht mehr

Gerade in der modernen Medizin kommen Ärzte bei der Behandlung von Patienten nicht mehr ohne die Mitwirkung anderer Ärzte oder Fachdisziplinen aus. Dies liegt auch an der zunehmenden Spezialisierung der Ärzte: Sie überweisen, behandeln mit oder weiter und so weiter. Das arbeitsteilige (Be-)Handeln steht damit fast täglich im Mittelpunkt des ärztlichen Alltags. In unserer anwaltlichen Praxis erleben wir immer wieder, dass fehlende oder mangelhafte Kommunikation zwischen Ärzten zu Behandlungsfehlern und damit zu Gesundheitsschäden beim Patienten führt. Je arbeitsteiliger gearbeitet wird, desto wichtiger ist eine gute und korrekte Kommunikation.

Das Arzthaftungsrecht unterscheidet bei der Zusammenarbeit von Ärzten zwischen horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung. Letztere soll die Zusammenarbeit zwischen Ärzten regeln.

Horizontale Arbeitsteilung: Jeder Arzt haftet für sich

Von horizontaler Arbeitsteilung spricht man, wenn Ärzte Patienten an einen anderen niedergelassenen Arzt oder an ein Krankenhaus überweisen, wenn die Behandlung in ein anderes Fachgebiet fällt oder wenn die eigenen persönlichen Fähigkeiten oder die apparative Ausstattung den Anforderungen der Behandlung nicht genügen. Haftungsrechtlich wird der überweisende Arzt „entlastet“ und der überwiesene Arzt „belastet“.

Bei horizontaler Arbeitsteilung gilt der Vertrauensgrundsatz, denn jeder Arzt darf zunächst davon ausgehen, dass der Kollege aus dem anderen Fachgebiet seine Aufgaben mit größtmöglicher Sorgfalt erfüllt. Eine allgemeine Überwachungspflicht besteht daher nicht..

Hinsichtlich der Verantwortungsteilung gilt, dass jeder Arzt für seinen Bereich selbst verantwortlich ist. Es gibt aber auch Überschneidungen: Hat z.B. der nachbehandelnde Kinderarzt Zweifel an der vom Vorbehandler gestellten Diagnose einer Erkrankung des Patienten und erkennt, dass die ihm übermittelten Daten nicht stimmen können, muss er im Zweifelsfall selbst korrigierend eingreifen oder den überweisenden Arzt kontaktieren.

Kommunikation verhindert Fehler – Schweigen schafft Risiko

Eine offene Kommunikation ist wichtig, um Schaden vom Patienten abzuwenden bzw. den Behandlungserfolg zu ermöglichen und zu sichern. Kollegiale Rücksichtnahme wäre hier völlig fehl am Platz und würde sich zudem haftungsrechtlich zu Lasten des rücksichtsvollen Arztes auswirken. Kurzum: Auch hier gilt Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser.

Vertikale Arbeitsteilung: Wenn Hierarchie zum Hindernis wird

Bei der in Krankenhäusern häufig anzutreffenden hierarchischen oder auch vertikalen Arbeitsteilung kommt es wesentlich häufiger zu Kommunikationsproblemen und daraus resultierenden Behandlungsfehlern. Gerade das Verhältnis z.B. von Assistenzärzten zu Chefärzten wird im Rahmen der Kommunikation als problematisch angesehen. Häufig traut sich der untergeordnete Arzt nicht, seinen Vorgesetzten auf eine Behandlungsalternative oder auch auf Fehler hinzuweisen. Daher ist es wichtig, gerade in solchen hierarchisch arbeitenden Systemen Wege zu finden, die Kommunikation über Hierarchiegrenzen hinweg zu ermöglichen und damit den Patienten vor Schaden zu bewahren.

Die berechtigte Forderung von Patientenvertretern, nachgeordneten Ärzten, aber auch Krankenschwestern und Pflegern Gehör zu verschaffen und sie zu ermutigen, ihre Bedenken, aber auch Vorschläge zu äußern, ist auch unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten relevant. Liegen nämlich Umstände vor, die für den nachgeordneten Arzt erkennbar zu Fehlern führen, so ist sein Vertrauen in die Anordnungen seiner Vorgesetzten nicht gerechtfertigt und er darf sich auf die getroffenen Entscheidungen, z.B. des Chefarztes, nicht verlassen.

Assistenzärzte dürfen nicht blind gehorchen

Wie bei der horizontalen Arbeitsteilung gilt auch hier der Vertrauensgrundsatz nicht uneingeschränkt. Der Assistenzarzt darf Weisungen nicht blind befolgen, wenn er erkennen kann, dass dem Patienten dadurch Nachteile entstehen oder gar ein schwerer gesundheitlicher Schaden droht. Er kann sich von seiner persönlichen Haftung nicht dadurch befreien, dass er in einem Arzthaftungsprozess behauptet, er habe lediglich Anweisungen befolgt.

Barrierefreie Kommunikation: Verantwortung von oben

Eine barrierefreie Kommunikation sowohl zwischen Ärzten als auch zwischen Ärzten und nichtärztlichem Personal ist unabdingbar. In einem Krankenhaus müssen die Klinikleitung und die Chef- und Oberärzte, die die Abteilungen leiten, im Interesse der Patienten und auch in ihrem eigenen Interesse eine offene Kommunikation fördern. Krankenschwestern, Krankenpfleger und Assistenzärzte müssen ermutigt werden, Verbesserungsvorschläge zu machen und eigene Bedenken zu äußern. Eine Verlagerung dieser offenen Kommunikation in das Qualitätsmanagement würde das Problem nur verlagern.

Speak Up: Mut zur Stimme kann Leben retten

Der aus dem englischen Sprachraum bekannte Begriff „speak up“ (dt.: „heraus mit der Sprache“, „frei von der Leber weg reden“) bezeichnet das professionelle Einmischen am Arbeitsplatz. Es bietet die Chance, Hierarchien und Barrieren zu überwinden und Mut zu einer offeneren Kommunikation zu machen.

Wichtig ist, dass die Speak-Up-Kultur im Klinikalltag, aber auch im Alltag der niedergelassenen Ärzte gelebt und als Chance begriffen wird, effizienter zu arbeiten, die Behandlung der Patienten zu verbessern, Fehler und damit Patientenschäden zu vermeiden.

Patientenbeteiligung: Mitdenken schützt vor Schaden

Aufgrund unserer Erfahrungen können wir den Patienten nur immer wieder raten, sich in ihre Behandlung und die Vorschläge und Entscheidungen der Ärzte einzubringen und mitzudenken. Patienten sollten sich auch nicht scheuen, eine Zweitmeinung einzuholen. Sie haben ein Recht darauf.

Aktive Rolle der Patienten: Fragen, fordern, mitwirken

Die Beteiligung an der eigenen Behandlung kann darin bestehen, dass man die Arztberichte/Untersuchungsergebnisse des überweisenden Arztes zum überweisenden Arzt mitnimmt oder zumindest nachfragt, ob diese vollständig in der Krankenakte enthalten sind. Der Patient sollte nicht blind darauf vertrauen, dass die erforderliche Datenübermittlung bzw. Kommunikation zwischen den Ärzten stattgefunden hat.

Sicherlich gibt es nicht wenige Ärzte, die eine engagierte Mitarbeit des Patienten schätzen und eher als Unterstützung denn als Einmischung empfinden.

Anwaltsbüro Quirmbach & Partner

Kostenlose Erstberatung für Ihren Fall