Nach Geburt in falscher Klinik: 720.000 € für schwerstbehindertes Kind
Wenn eine Geburt zum Albtraum wird
Wenn bei einer Geburt etwas schiefläuft, kann das Leben einer Familie in Sekunden aus den Fugen geraten. Genau das ist in einem aktuellen Fall passiert, den das Oberlandesgericht Frankfurt im Februar diesen Jahres (Urteil vom 18.02.2025; Az. 8 U 8/21) entschieden hat: Ein schwerstbehindertes Kind erhält 720.000 € Schmerzensgeld – weil die behandelnden Ärzte mehrere grobe Fehler gemacht haben.
Doch nicht nur das Kind wird entschädigt, auch die Eltern bekommen eine Entschädigung für das seelische Leid, das sie durch die Ereignisse rund um die Geburt erfahren mussten.
Chronologie eines vermeidbaren Dramas
Was war passiert?
Die Mutter war mit eineiigen Zwillingen schwanger und es bestand eine sogenannte Hochrisikoschwangerschaft. Eine solche Schwangerschaft muss immer besonders eng überwacht werden. Bei dieser Frau zeigte sich zudem ein typisches Risiko dieser Zwillingskonstellation: das fetofetale Transfusionssyndrom (FFTS). Dabei wird das Blut zwischen den beiden Föten ungleich verteilt, was lebensbedrohliche Folgen für beide Kinder haben kann.
Trotz dieser Gefahren wurde die Schwangere nicht in ein spezialisiertes Perinatalzentrum verlegt – also in eine Klinik mit der nötigen Erfahrung und Ausstattung für Risikogeburten. Die behandelnde Klinik hatte keine Intensivstation für Neugeborene. Dabei hätte jedem klar sein müssen, dass jederzeit ein Notfall eintreten konnte.
Und genau so kam es: Einer der Zwillinge starb noch im Mutterleib. Das zweite Kind wurde viel zu spät per Kaiserschnitt geholt und erlitt durch den Sauerstoffmangel schwerste Hirnschäden.
OLG Frankfurt spricht klares Urteil
Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte mehrere grobe Behandlungsfehler, unter anderem:
- Die Mutter hätte ausschließlich in einer Klinik mit neonatologischer Intensivstation betreut werden dürfen.
- Es wurde kein Notfallplan erstellt – obwohl das Risiko bekannt war.
- Der Kaiserschnitt erfolgte viel zu spät.
- Es fehlte an der Einbindung von Fachärzten für Risikogeburten.
Das Gericht sprach dem betroffenen Kind 720.000 € Schmerzensgeld zu sowie die Erstattung aller weiteren materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft.
Den Eltern sprach das Gericht ein eigenes Schmerzensgeld zu. Beide litten nachweislich unter schweren psychischen Belastungen durch das Geburtserlebnis und die Folgen für ihr Kind.
Ein starkes Signal für andere Familien
Das Urteil macht eines deutlich: Eltern dürfen erwarten, dass eine Hochrisikoschwangerschaft nach dem heutigen medizinischen Standard begleitet wird. Wird dieser Standard nicht eingehalten und entsteht dadurch ein schwerer Schaden, haben betroffene Familien Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz.
Doch gerade in solch belastenden Situationen ist es für Eltern oft kaum möglich zu erkennen, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorliegt. Und noch schwieriger ist es, sich rechtlich dagegen zu wehren – insbesondere gegenüber Kliniken oder großen Versicherungen.
Wir kämpfen für Ihr Recht
Haben Sie das Gefühl, dass bei der Geburt Ihres Kindes etwas schiefgelaufen ist? Wir stehen Familien zur Seite, die einen Geburtsschaden erlitten haben – mit klarer rechtlicher Beratung und einem offenen Ohr für das persönliche Leid.