15. Frühjahrstagung Medizinrecht, ein Rückblick – Teil 1
Die diesjährige Frühjahrstagung Medizinrecht der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein fand vom 24. bis 25. April 2015 in Frankfurt am Main statt. In der Arbeitsgruppe Arzthaftungsrecht, an der ich teilnahm, wurde vor allem die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sowie der weiteren Obergerichte diskutiert.
Auch im vergangenen Jahr sind wieder viele Entscheidungen im Bereich des Arzthaftungsrechts durch den Bundesgerichtshof (BGH) ergangen. Für den Arzthaftungsrechtler gibt es wenig Neues, allerdings bekräftigte der BGH seine Rechtsprechung der vergangenen Jahre und führte sie weiter, was deutlich zur Rechtssicherheit beiträgt.
Anwaltliche Erfahrung zählt
In seiner Entscheidung vom 21.1.2014 – VI ZR 78/13 – hat der BGH die ehemals aufgestellte Faustformel: „Wer liquidiert, der haftet.“ noch einmal hervorgehoben und damit die Kernfrage jedes Arzthaftungsrechtlers auf Patientenseite auf den Punkt gebracht: „Wer ist der richtige Gegner?“
Bei dieser scheinbar so einfachen Frage trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Antwort darauf zeigt, welcher Anwalt im Arzthaftungsrecht erfahren ist und wer dieses Rechtsgebiet, das erhebliche Tücken und Schwierigkeiten aufweist, in seiner täglichen Praxis nur am Rande oder gar nicht bearbeitet. Im Arzthaftungsrecht wurden Beweiserleichterungsregeln für den Patienten entwickelt, die im übrigen Zivilrecht völlig unbekannt sind, ebenso wie die verwendeten Rechtsbegriffe, wie beispielsweise „grober Behandlungsfehler“ oder „Befunderhebungsfehler“ mit der dreistufigen Prüfungsreihenfolge.
Alleine bei der Frage nach dem richtigen Anspruchsgegner können bereits die Weichen so erheblich falsch gestellt werden, dass der geschädigte Patient seine Anspruch nicht mehr geltend machen kann, weil er verjährt ist.
Aufklärungsgespräch und Beweislast
In einem weiteren Urteil vom 28.1.2014 – VI ZR 143/13 – wiederholte der BGH seine in der Entscheidung vom 8.1.1985 – VI ZR 15/83 – postulierten Grundsätze zum Aufklärungsfehler: Die Beweislast, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat, obliegt dem Arzt. Wenn die Darstellung schlüssig ist und nur „einiger Beweis“ für das Gespräch geführt wurde, soll im Zweifel dem Arzt geglaubt werden, dass ein solches Gespräch mit dem von ihm behaupteten Inhalt durchgeführt wurde. Denn das Fehlen der Aufklärungsdokumentation bedeutet nicht automatisch, dass das Aufklärungsgespräch nicht stattgefunden hat. Auch eine konkrete Erinnerung des Arztes an das Gespräch ist nicht erforderlich. Ein Formular, das während des Aufklärungsgespräches verwendet wird, ist zwar ein Indiz für das geführte Gespräch, sagt jedoch nicht unbedingt etwas über den Inhalt aus. Dem Arzt muss daher auch ohne Zeugen und ohne ein solches Formular eine faire Chance bleiben, den Nachweis des Aufklärungsgespräches zu führen. Der erfahrene Arzthaftungsrechtler muss in Kenntnis der Rechtsprechung des BGH den Sachverhalt im Einzelnen prüfen, denn kein Fall ist wie der andere. So ist alleine wegen der sehr individuellen Krankheitsgeschichte des Patienten, die Frage der Aufklärung sehr individuell zu überprüfen und zu bewerten.
Teil 2 des Berichts über die Frühjahrstagung Medizinrecht 2015: Die Rolle von Gutachten und Gutachtern / Geburtsschadensrecht